Schönheitssalon für die Roller-Diven

Mit seiner Firma „Heilig’s Blechle“ in Weißensee macht Alex Bonald Fans von historischen Vespas glücklich. Dort werden die alten Gefährte stilgerecht wieder flottgemacht

Alex Bonald, Heilig's Blechle, Berlin © FM Rohm

Alex Bonald, Heilig's Blechle, Berlin © FM Rohm

An seine erste kann er sich noch genau erinnern. „Eine Vespa 50 Special, Baujahr 1980, in Mattschwarz, natürlich mit Vier-Gang-Handschaltung, Fußbremse, Kickstarter und rechteckigem Scheinwerfer“, sagt Alex Bonald. Mit dieser schicken „Wespe“ erregte er Anfang der Nullerjahre in Prenzlauer Berg genau soviel Aufsehen, wie es ein junger Mann aus dem Schwabenland brauchte, um sich in der Hauptstadt angekommen zu fühlen.
Seither ist die Leidenschaft für die italienischen Motorroller aus Pontedera in der Toskana bei dem gelernten Karosserieschlosser nicht mehr erloschen. Vor neun Jahren machte er sich dann mit der Firma „Heilig’s Blechle“ selbständig. „Ein guter Name“, freut er sich, „wenn man den einmal gehört hat, vergisst man ihn nicht mehr.“ Selbst in Prenzlauer Berg, wo er lange sein Ladengeschäft betrieb, waren die Nachbarn ihm wohlgesonnen. Als die Miete zu hoch wurde, zog der alerte 41-Jährige auf das alte Industriegelände in Weißensee. Mit zwei Mitarbeitern bietet er einen Rundum-Service für die Kultroller der Firma Piaggio.
Vespas, Heilig's Blechle, Berlin © FM Rohm

Vespas, Heilig's Blechle, Berlin © FM Rohm

Wie für ein Fotoshooting aufgereiht stehen mehr als ein Dutzend der sogenannten Vintage-Vespas vor einer verwitterten Backsteinwand. „Die werden gerade alle aus dem Winterschlaf erweckt“, sagt der Chef. Viele Vespa-Besitzer stellen ihren Roller bei Bonald für die kalte Jahreszeit unter. „Wenn es wieder warm wird, rufen sie alle gleichzeitig an und wollen mit ihrem Schätzchen durch die Frühlingslüfte brausen.“ Dann haben die drei Männer ordentlich zu tun. Wenn die untergestellten Wespen ausgeflogen sind, geht es mit dem normalen Geschäft weiter.

„Wir beraten bei Restaurierungen und lassen von Spezialisten alles Nötige wie Blecharbeiten, Überholung des Motors, der Elektrik und auch Lackierungen durchführen“, erklärt Bonald. Für Schrauber gibt es außerdem eine große Auswahl an Ersatzteilen, von Reifen über Lager, Zylinder bis zur berühmten „gezogenen Kurzschwinge“ die das Vorderrad federt und hält. „Viele unserer Kunden reparieren selbst“, erläutert Bonald. Auch wer sein altes Stück durch den TÜV bringen will, ist bei ihm an der richtigen Adresse.
Sehr aufwändig ist der Komplettaufbau von sogenannten Ruinen. Das sind Roller, die teilweise jahrelang in Kellern oder Garagen verrottet sind. Bonald kauft sie an und „dann stellen wir oft quasi einen neuen Roller her.“

Alex Bonald, Heilig's Blechle, Berlin © FM Rohm

Alex Bonald, Heilig's Blechle, Berlin © FM Rohm

So wie bei einer orangefarbenen PX 80, Baujahr 1984. „Motor fest, Dichtungsringe zerbröselt, Karosserie verrostet, Lenksäule kaputt“, stellt Bonald lakonisch fest. Ach ja, auch die Elektrik ist im Eimer. Zwei bis drei Monate wird er brauchen, bevor er sie zum Verkauf anbieten kann. Dann kostet die Rarität ab 2.500 Euro. Dafür bekäme man auch eine gute gebrauchte, die nicht mal halb so viele Jahre auf der Sitzbank hat. Aber die neueren Roller sind nichts für die echten Fans. „,Automatik, Elektrostarter und zwei Handbremsen, das geht gar nicht“, erklärt er.
In den Nullerjahren hat er das Comeback der Italo-Roller miterlebt, den Boom zahlreicher Werkstätten und Verkaufsstätten. Doch der Boom sei verebbt. Kein Wunder, die historischen Zweiräder sind durchaus pflegebedürftig. Auf rund tausend schätzt er die Zahl der historischen Vespas mit Handschaltung in der Stadt.

Ihren Besitzern gelten sie als Kult-Gefährt, verbrennungsmotorgetriebene Sehnsucht nach Dolce Vita, nach sommerlichem Fahrvergnügen, am besten mit einer süßen Beifahrerin. So eine wie die junge Sofia Loren. Sie und andere italienische Filmdiven posierten in den Fünfziger- und Sechzigerjahren mit den Vespas und sorgten dafür, dass die modischen Gefährte ein erotisch-sinnliches Image erhielten.
Dass sich die wendigen Roller nicht nur in Europa großer Beliebtheit erfreuten beweisen Lizenzausführungen wie die indische Bajaj, die Bonald restauriert. Noch heute summen sie millionenfach die Straßen des Subkontinents. Die bullige, ozeanblaue Vjatka aus Russland hingegen ist eine Raubkopie, ohne Lizenz in leicht modifizierter Form in den Siebziger- und Achtzigerjahren gebaut.

Vespas, Alex Bonald, Heilig's Blechle, Berlin © FM Rohm

Vespas, Alex Bonald, Heilig's Blechle, Berlin © FM Rohm

Im Showroom leuchtet eine lila-metallic-farbene P 200, Baujahr 1981, „in der Mod-Version“, mit üppiger Chromzierleisten-Ausstattung. Die Mods, schick gekleidete englische Halbstarke, gaben in den Achtzigern dem Rollerwahn neue Impulse.
Schlank und schnittig sehen die 50-Kubikzentimeter-Hubraummodelle aus. Kräftig und mit ausladenden Kurven dagegen die 200er. Die Roller mit gerade mal 2,5 bis 7 PS punkten nicht gerade mit viel Leistung, und auch die Höchstgeschwindigkeiten zwischen 40 und 90 Stundenkilometer entsprechen nicht dem aktuellen Höher-Schneller-Weiter-Zeitgeist. Aber darum geht es nicht, sondern, so Bonald, „um Eleganz und Stil“.

Heilig’s Blechle, An der Industriebahn 12-16, Weißensee, Tel. 85 40 06 04, Mo-Fr 11-13 und 14-18, Sbd Uhr, www.heiligs-blechle.com

 

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