Vor zwanzig Jahren begann die Leidenschaft von Anette Maschmann für die traditionellen japanischen Kleidungsstücke. Heute kaufen Kunden aus ganz Deutschland ihre wunderschönen Kimonos
„Es waren die Stoffe, die Farben und vor allem die Muster“, sagt Anette Maschmann. Am Zuschneidetisch in ihrem Kreuzberger Atelier streicht sie fast zärtlich über einen dunkelblau, weiß und rot gemusterten Kimono mit Motiven asiatischer Reiher. Anfang der Neunziger Jahre entdeckte sie einen alten Seidenkimono, den ihre Großmutter getragen hatte. Auf den ersten Blick war sie fasziniert von dem T-förmigen Kleidungsstück aus Fernost. „Diese weiten Ärmel, der schlichte Schnitt, der trotzdem Eleganz hatte und die Exotik faszinierten mich“, berichtet die gelernte Textilrestauratorin. Außerdem traf es sich gut, denn nach einer Anstellung im Kostümbereich an der Schaubühne unter Intendant Peter Stein war Anette Maschmann damals gerade auf der Suche nach einem neuen Betätigungsfeld. „Ich wusste gleich: Kimonos sind eine Marktlücke – und mein Ding“, erzählt die gebürtige Frankfurterin. Ein Jahr lang recherchierte sie, sondierte den Markt, dann schneiderte sie die ersten Stücke. Inzwischen ist sie so bekannt, dass Modezeitschriften und Filmproduktionen bei ihr Kimonos für Aufnahmen leihen.In ihrem Atelier hängen hunderte Kimono. Die berauschend farbenprächtigen sind für Frauen, die mit gedeckten Farben für Männer. Erstaunlicherweise gehört fast die Hälfte ihrer Kunden dem starken Geschlecht an. „Der moderne Mann will nicht nur im Trainingsanzug zuhause herumlaufen. Er setzt auf Exotik und Stil“, erklärt die 59-jährige Textilfachfrau. Oft kämen sie zuerst zu ihr, um einen Kimono für ihre Partnerin zu kaufen. Überrascht stellten sie dann fest, dass Anette Maschmann auch ein großes Sortiment an Männerkimono besitzt. Sie erklärt, die eigenen vier Wände seien der bevorzugte Ort, an dem heute Kimono getragen werden. Selbst in Japan wären sie inzwischen auf der Straße nur sehr selten zu sehen, „am ehesten noch in dörflichen Gegenden.“
Fast achthundert Jahre alt ist das außergewöhnliche Kleidungsstück aus Japan, dessen Name übersetzt schlicht „Anziehsache“ bedeutet. „Ursprünglich kam der um den Körper gewickelte, knopflos gearbeitete Kimono aus China und war dort die Kleidung der Oberschicht“, erklärt Anette Maschmann. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich die Fertigung immer meisterlicher und die Muster zunehmend farbenprächtiger, bis er im 18. Jahrhundert zur Nationaltracht der Japaner wurde.
Beim Verkauf setzt Anette Maschmann auf zwei Schienen. Zum einen auf in Japan industriell gefertigte Baumwoll-Kimono, Yukata genannt. Diese pflegeleichten Gewänder gibt es ab 75 Euro. Mittlerweile ersetzen sie sogar schon mal den Frotteebademantel in der Sauna. „Ein Vorteil ist das geringe Gewicht“, erläutert die Kimono-Spezialistin. Ihre zweite Schiene ist die Herstellung hochwertiger, handgefertigter Kimono. Nachdem sie Maß genommen hat, näht sie an einer japanischen Juki-Maschine die immer gleich breiten Stoffbahnen zu faszinierenden Modellen. Als Material dafür verwendet sie in der Regel Seide. „Das ist zeitlos, klassisch und am hautfreundlichsten.“
Über dreißig verschiedene Schnitte stehen auf ihrer Homepage zur Auswahl, und beim Besuch im Atelier können Kunden aus mehr als hundert Stoffen wählen. Die Muster variieren von einfachen geometrischen Formen zu grellen Farben bis hin zu kunstvollen Dekors mit Motiven aus Flora und Fauna. Im traditionellen Japan gab es Kimonos für alle Anlässe, von Hochzeits-Kimonos bis zu Gewändern für den Alltag oder die Trauerzeit.
„Bis zu Beginn des II. Weltkriegs wurden Kimonos fast ausschließlich von Hand genäht. Sogar die Muster wurden per Hand auf den Stoff gemalt“, schwärmt sie. Rund hundert dieser Kostbarkeiten sind im Atelier ausgestellt. Sie kosten ab 275 Euro. Bei diesem Preis beginnen auch ihre eigenen Kreationen. Je nach Qualität der Stoffe und der Verarbeitung können auch bis zu 500 Euro fällig werden. Günstiger sind die in Kombination mit einer Jeans oder einem Rock zu tragbaren, Haori genannten Oberteile. In der traditionellen japanischen Kleiderordnung gehört zu dem kaftan-ähnlichen Kleidungsstück ein etwa ellenbreiter Gürtel, Obi genannt, der mit zusätzlichen Mustern und Farben weitere Akzente setzt und die Figur betont. Allerdings ist die Technik des Bindens der Obi-Gürtel so speziell, dass sie heute kaum noch getragen werden.
Deshalb fertig Anette Maschmann aus den vielen historischen Gürteln, die sie im Laufe der Jahre in aller Welt kaufte, heute Accessoires wie wunderschöne Kissenbezüge. Neueste Idee von ihr sind Clutches. Auch die werden aus den wertvollen Vintage-Obi-Gürteln einzeln angefertigt. „Durch ihren weichen, gepolsterten Stoff eignen sie sich hervorragend als Schutzhülle für kleine Tablets oder Notebooks.“
Sogar für Kinder hält sie ein kleines Sortiment vor. Und wer Kimono, Obi oder Haori leihen will, wird bei Anette Maschmann ebenfalls fündig.
Yukata Kimono, Zossener Straße 31, Kreuzberg, Tel. 694 84 93, Atelierbesuch nur nach telefonischer Vereinbarung, www.kimono-berlin.de