Die Sneaker sehen cool aus, kupferfarbene Sohle, schwarzes Wildleder an Spitze und Ferse, darüber eine zitronengelbe Lasche, Mittel- und Vorderteil fein grau-weiß gestreifte Jute. 109 Euro kostet das Herrenmodell Holiday Low der französischen Firma Veja. „Passt super zu Ihrem rotbrauen Pullover und dem grauen Mantel“, findet Judith Finsterbusch vom Fairfashiongeschäft „Wertvoll“. Das Besondere an dem Schuh sieht man ihm nicht an. Er wird in Sao Paulo in Brasilien hergestellt. Allerdings nicht durch schlecht bezahlte Kinderarbeiter, sondern in einem Favela-Projekt, in dem alle Arbeiterinnen und Arbeiter fair bezahlt werden und sogar eine Unterstützung zur Gesundheitsvorsorge erhalten. Die Materialen sind ökologisch hergestellte Jute und Leder, die Sohle ist aus brasilianischem Kautschuk. „Unsere Kundinnen und Kunden kommen genau deshalb hier her“, erklärt die schlanke 40-Jährige, „sie wollen Chic und den zu korrekten Bedingungen hergestellt.“
Die Begeisterung für Mode kam von der Mutter
Vor acht Jahren hat sie ihr Geschäft mit einer Partnerin eröffnet, seit einem Jahr betreibt sie es allein. „Das war damals schon ein Wagnis. Wir haben das alles aus eigenen Mittel gestemmt“, erinnert sie sich. Glück hatten sie, dass die Vermieter des rund 75 Quadratmeter großen Geschäfts von ihrem Konzept überzeugt waren. „Sonst wäre das nicht gegangen“, ist Judith Finsterbusch sicher. Eine weitere Kundin betritt den sehr ansprechend eingerichteten Laden, in dem erdige Farben dominieren und kleine Holzstapel natürliche Akzente setzen.„Ich habe neue Sachen reinbekommen, die musst du unbedingt anprobieren“, fällt die „Wertvoll“-Inhaberin von einem Moment auf den anderen vom Interview- in den Verkaufsmodus. Mit vier Stücken, Rock, Kleider, Mantel, verschwindet die Kundin in der kleinen Umkleide im Nebenraum. Als sie nach zwanzig Minuten das Geschäft verlässt, sagt sie: „Ich gebe bei euch immer so viel Geld aus, aber es ist auch einfach alles so einzigartig.“ Genau diese Kundenzufriedenheit ist das Erfolgsrezept von Judith Finsterbusch. „Man muss die guten Hersteller kennen, und wissen, was die Kundschaft will und was zu ihr passt. Wir haben ganz viele Stammkunden“, führt sie aus.
Schon als Kind wusste sie, dass sie später etwas mit Mode machen wollte. Zusammen mit ihrer Mutter nähte sie, kürzte oder verlängerte Kleidung der Geschwister, nähte Neues aus aufgetrenntem Alten. Nach dem Abitur in der Nähe von Stuttgart ging es ein halbes Jahr auf Reise nach Australien. Danach war die Frage, ob Modedesign oder doch eher etwas Handwerkliches. Sie entschied sich für die Modefachschule in Sigmaringen, die sie mit Diplom abschloss.
Öko und chic ist heute kein Widerspruch mehr
Von Schwaben ging es für Judith Finsterbusch wie für so viele nach Berlin. „Die Stadt war Mitte der Nullerjahre der Mode-Hot-Spot.“ Vier Jahre arbeitete sie bei der angesagten Designerin Uli Dziallas in Treptow. „Auch das eine tolle Zeit, aber sehr viele Arbeit, und wenig Geld“, erzählt die Geschäftsinhaberin. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen nahm sie Nebenjobs beim Film und bei Modeschauen an. „Es war die Zeit des Berliner Modehypes. Die Modeblase blubberte heftig, jedes Wochenende gab es Modeschauen und Fashionpartys.“ Sie selbst sei allerdings „null die Partymaus“ gewesen, während die anderen „auf der Tanzfläche ausflippten und mit Spiegel und Trinkröhrchen aufs Klo gingen.“ Das prekäre Leben fand mit der Anstellung in einem Modegeschäft im Kreuzberger Bergmannkiez sein Ende. „Es war etwas völlig neues für mich. Geregelte Arbeitszeiten, bezahlter Urlaub. Das war der Moment, in dem ich mir überlegte, ein Modegeschäft aufzumachen“, sagt Judith Finsterbusch.
Von Beginn an wir ihr klar, sie wollte ein Geschäft eröffnen, in dem ökologisch hergestellte Mode im Angebot war. „Damals haben mich viele überrascht angesehen. Öko und chic war vor zehn Jahren noch ein Widerspruch. Aber ich hatte gesehen, das geht. Fair gehandelt gab es damals in unserem Segment so gut wir gar nicht, aber auch das änderte sich im Laufe der Jahre. Außerdem lege ich Wert darauf, möglichst viele in Handarbeit hergestellte Textilien und Accesoires im Sortiment zu haben.“Etwa von dem Männermodelabel „Atelier Awash“ , den ökologisch hergestellten und fair gehandelten Taschen von „O My Bag“ oder der „veganen“ Frauenmode von Jan`nJune, die in Hamburg und Portugal produziert wird ohne Verwendung tierischer Grundstoffe wie Wolle, Seide oder Leder. „Die meisten unserer Firmen produzieren nach den geschützten GOTS Kriterien, Global Organic Textile Standard. Das heißt, Baumwolle, Wolle oder alternative Rohstoffe werden ohne Nutzung von toxischen und chemisch-synthetischen Pestiziden und Düngemitteln, sowie der Verwendung gentechnisch veränderter Organismen verarbeitet und fairen Arbeitsbedingungen hergestellt.“ Es gibt sogar Strumpfhosen, die aus recyceltem Plastikmüll aus dem Meer hergestellt werden. „Superchic sehen die aus“, so Judith Finsterbusch.
Wertvoll, Marienburger Straße 39, Prenzlauer Berg, Tel. 25 56 77 26, Mo-Fr 10-19, Sbd 11-19 Uhr, www.wertvoll-berlin.de