Noch immer speist die Mehrzahl der Wien-Besucher das berühmte Schnitzel, Tafelspitz, und Kaiserschmarrn. Doch wie wäre es mit Zwiebelrostbraten vom in Hallen gezüchteten Wels, Insektensnack oder Schnecken-Suppe?
Rund um den von den Wienern liebevoll Steffel genannten Stephansdom drängen sich ganzjährig zur Essenszeit zehntausende Touristen. Sie stehen Schlange vor Figlmüller um einen Platz zum Schnitzel-Schmausen zu ergattern, gleiches Bild beim Kaiserschmarrn-Spezialisten Weibels Wirtshaus, bei der Tafelspitzanlaufstelle Plachutta oder beim Café Sacher an der Albertina.
Nicht weit von Figlmüller am Stephansplatz wartet das mit drei Hauben und dem Bib-Gourmand von Michelin ausgezeichnete moderne Restaurant Labstelle unter dem Motto „Essen mit ohne Schnickschnack“ mit nachhaltiger Küche auf. Dazu gehört auch ein Zwiebelrostbraten vom Waller, wie hier Wels heißt, und Paradeiser, Tomaten, von Blün. Der Aquaponik-Betrieb am Ostrand der Stadt produziert in einer Fabrikhalle jährlich mehrere Tonnen Wels, der frisch, gebeizt und geräuchert an Wiener Gastronomen geliefert wird. In einem entkoppelten Kreislauf werden die Fische mit minimalem Wassereinsatz in mehreren Becken bis zur Schlachtreife gezüchtet. Mit dem Abwasser der Fischzucht wird eine knapp Hektargroße Tomatenzucht betrieben. Mehrere Sorten Paradeiser wachsen ein halbes Jahr im Gewächshaus. Sie schmecken entgegen vieler Vermutungen nicht nach Fisch, sondern vorzüglich.
An der südlichen Stadtgrenze in Rothneusiedl im 10. Bezirk züchtet Andreas Gugumuck auf den Feldern eines ehemaligen Großbauernhofs seit einigen Jahren Schnecken. Im Restaurant Labstelle finden sie sich zur Saison in einer geeisten Kartoffelsuppe. „Neben Insekten gehörten für unsere Vorfahren schon vor Zehntausenden von Jahren die proteinhaltigen Schnecken zur Ernährung“, erklärt Gugumuck. Die werden heute mehr mit Frankreich als mit Österreich verbunden. Aber das soll sich ändern. Mehr als 300 000 Schnecken hat er mit seinem Team dieses Jahr auf einem speziell präparierten Feld geerntet. „Wir beliefern damit die Wiener Gastronomie, und verarbeiten sie zu Fertiggerichten im Glas“, so Gugumuck. Außerdem bietet er auf dem Bauernhof zusammen mit Chefkoch Jürgen Winter mehrgängige Menüs mit Schneckenleberpartait, Räucherschnecke und Schnecken-Dessert an.
Zurück ins Zentrum von Wien. Hier gibt es seit einige Zeit an dem bei Einheimischen wie Touristen beliebte Wiener Würstelstand im 8. Bezirk mittlerweile Pilz-Bratwürste zum Verzehr. Ebenfalls auf der Welle des Future Food surf das Start-Up mit dem schönen Namen Zirp.
Christoph Thomann und Koch Peter Petzl offerieren Insektenmenüs mit Mehl- und Buffalowürmern und gebratenen Heuschrecken. Nicht weit davon entfernt sitzt das Start-up Brüsli. Hier werden aus altem Brot mehrere Sorten Müsli hergestellt. „Täglich landen allein in Wien Dutzende Tonnen Brot im Müll. Mit unserer Firma zeigen wir dazu eine Alternative auf“, so Firmengründerin Sarah Lechner. Das Brüsli-Müsli ist in großen Supermärkten und online erhältlich. Absatzziel sind neben Endverbrauchern auch Beherbergungsbetriebe wie das nachhaltig arbeitende Boutiquehotel Stadthalle im 15. Bezirk. Das erste Wiener Hotel mit Null-Energie-Bilanz und Öko-Label punktet bei energie- und ökobewussten Gäste neben Niedrigenergiezimmern mit upcycling-Möbeln auch mit einem Frühstücksbüffet mit vielen regionalen und nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln. Bislang noch ganz ohne Schnecken und Insekten.