Ramsau am Dachstein: Der Zeitgeist zwingt Wintersportorte zu Ergänzungen zum Ski-Angebot. In der West-Steiermark unterhalb des Dachstein-Massivs ist man auf gutem Weg
Noch immer machen Ski-Alpin-Touristen das überwältigende Gros der Wintergäste in der beliebten steierischen Wintersportdestination aus. Doch alternative Angebot werden beliebter.
„Habt ihr a Glück“ meint Bergführer Michael Perhab aus Ramsau. Da hat der 24-Jährige recht. Während unten im Ort noch eine graue Suppe aus Nebel und Wolken wabert, befinden wir uns bei der Türlwandhütte nahe der Talstation der Dachstein-Gletscherbahn ein Stück über dem Grau und freuen uns über tiefblauen Himmel vor dem gewaltigen Dachsteinmassiv. Auf die knapp 1700 Meter Höhe hätte uns sogar der lokale 960er Bus gebracht, aber wir waren mit einem Taxi nach oben gekommen. Kurz erklärt der sympathische junge Mann die Technik beim Schneeschuhwandern, leichte Kniebeugung, Beine etwas weiter auseinander, sonst kommt man sich mit den umgangssprachlich „Pfannen“ genannten Schneeschuhen ins Gehege.
Und hinab geht es, nach etwa fünfzig Höhenmetern zurück ins wattige Grau. Auch das hat mit der fahlen Wintersonne seinen Reiz. In dem steilen Gelände ist die Begleitung eines Bergführers die teils steile Strecke vorbei an Walcher- und Brandalm Pflicht. Wenn er nicht Touristen führt studiert Michael Maschinenbau in Graz. „Ich sehe schon, was der Klimawandel bewirkt und möchte etwas mit alternativen Energiegewinnung machen“, sagt er. Davon hat Österreich im Gegensatz zu Deutschland einen erheblich größeren Anteil, was die Kritik an immer mehr Liftanlagen und Schneekanonen mildert.
„Tourismus bedeutet immer Wandel“, erklärt Gerald Knaus, mit seiner Frau Besitzer des Hotels Matschnerhof in Ramsau. Sein Großvater betrieb auf dem Gelände des heutigen Hotels einen Bauernhof. Der brannte ab, als sich ein Betrunkener in den Heuschober legte und rauchte. Knaus Vater errichtete in den 1960er und 1970er Jahren den Hotelbetrieb, der bis auf 70 Zimmer erweitert wurde. Jetzt plant Familie Knaus den Schnitt: einen aufwändigen Umbau, größere Zimmer, mehr Fokussierung auf regionale Küche, Wellness. Sogar die Fernseher will der Hotelier aus den Zimmern verbannen.
Den Wandel weg vom alpinen Tourismus-Zirkus hat vor mehr als 20 Jahren Reini Kaurzinek nicht nur kommen sehen, sondern als mehrfach ausgezeichneter Langläufer aktiv mit einer Langlaufschule „fit & fun“ vorangetrieben. Mittlerweile gehören zu seinem Team mehr als zehn Langlauflehrer. „Als wir angefangen haben, mussten wir noch um Loipen kämpfen, mittlerweile gibt es mehr als 220 Kilometer Langlaufstrecken im Ramsauer Gebiet. Ein neuer Trend sind begleitete Touren für Sehbehinderte oder Blinde. „Langläufer machen heute rund 15 Prozent der Wintersportler in Ramsau aus, Tendenz steigend“, so Kaurzinek. „Sie schätzen die Ruhe und Erholung beim langsamen Gleiten durch die idyllische Winterlandschaft beschneiter Wiesen, Tannen, Fichten, Lärchen und Zirben.“
Das machen auch die Gäste von Hermann Tritscher, einer von 25 Schlitten-Kutschern in Ramsau und dem benachbarten Schladming. Gemütlich zotteln die zwei Haflinger Weiki und Lilo durch die verschneite Landschaft vorbei am Rittisberg hoch zur Halseralm. Seit 400 Jahren stehen dort zwei Hütten, heute von von zwei Familien betrieben. Ganz ohne Strom werden die Schankräume wie vor vor elektrischen Zeiten nur mit Kerzen beleuchtet. Die Spezialität von Betreiber Johann Knaus und Köchin Renate Mosbucker sind auf dem holzbefeuerten alten Herd gebackene Kaiserschmarrn, hergestellt aus regionalem Mehl, Butter, Milch und Eiern. Die köstlichen Mehlspeisen werden zur Gaudi der Hüttengäste mit Strohrum flambiert und puderzuckerbestäubt mit köstlich säuerlichen Preiselbeeren serviert. „Zu uns kommen im Winter Langläufer, Tourenskifahrer, Schlittenfahrer und Wanderer“, sagt Johann Knaus.
Winterwandern ist die die nachhaltigste und preiswerteste Art seinen Urlaub im Ramsauer Skigebiet mit „horizontalem Bergvergnügen“ zu verbringen. Die rund 220 Loipenkilometer werden nachts auch für per Pedes Urlaubende von Pistenraupen zu einem festen Schneeweg präpariert. Selbst wenn die atemberaubenden Panoramen des Dachsteinmassivs in Nebel und Wolken verschwinden, sind die Blicke auf verschneite Wiesen und Wälder ein unvergleichliches Naturerlebnis. Wenn die Wolken aufreißen und den Blick auf die steilen, zwischen 2500 und 3000 Meter hohen, schroffen Gipfel freigeben, fühlt man sich zugleich klein und euphorisch.
Im Vergleich zum Wandern zählt die neue Trendsportart des Fatbike-Radelns zu den teuren Varianten des Wintersports abseits der Skipisten. Auch dabei ist man auf den präparierten Pisten für Wanderer, Pferdeschlittenfahrer und Langläufer unterwegs. Seit acht Jahren bietet Michael Stix drei- bis vierstündige Touren auf den Elektromotor-unterstützten Mountainbikes mit 11,5 Zentimeter breiten, noppenbespickten Ballonreifen an. Für geübte Radfahrer ein besonderes Vergnügen, das sich zunehmender Beliebtheit erfreut. „Wir müssen perspektivisch die Alternativen zu Liftanlagen und Skipisten ausbauen“, sagt der 53-Jährige. In Ramsau ist man dabei auf gutem Weg.