Berlins Stargastronom The Duc Ngo feiert nicht nur einen runden Geburtstag sondern auch 25 Jahre erfolgreicher Gastronomie über die Grenzen Berlins hinaus
Das Treffen findet im „Funky Fisch“-Restaurant statt. Die Ecke Schlüterstraße/Kantstraße nennt The Duc Ngo „mein Kraftzentrum“. Auf der breiten Bürgersteig-Terrasse sitzt seine Mutter, Frau Ngo. Später wird er sich zu ihr setzen, mit ihr plaudern und sein Business per Smartphone organisieren. 15 Restaurants betreibt er mittlerweile, elf davon in Berlin, drei in Frankfurt, eines in Baden-Baden, ein Sommerrestaurant in St. Tropez. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählen „Gastronomischer Innovator der Berliner Meisterköche“ 2017, „Gastronom des Jahres“, des wichtigsten deutschsprachigen Fachmagazin „Rollin’ Pin“, „Gastronom des Jahres“ des „Schlemmer Atlas“ und vergangenes Jahr eine Nominierung bei den Berliner Meisterköchen als „Berliner Meisterkoch“.
Wenn man jemand guten Gewissens einen Trendsetter nennen kann, dann The Duc Ngo. Nach einer Ausbildung als Sushi-Koch bei einem der ersten Nichtasiaten in Berlin, Tilman Zorn vom Charlottenburger „Sachiko“, begeisterte er ab 1999 in seinem ersten eigenen Lokal „Kuchi“ an der Kantstraße mit fantasievollen Fusion-Kreationen jenseits purisitisch-teurer Japan-Lokale die sich im Aufbruch befindende Berliner Gastro-Szene. Zehn Jahre später machte als einer der ersten japanische Ramen-Nudelsuppen mit zwei Restaurants populär, setzte mit klassischer, modern interpretierter Vietnamküche im 2016 eröffneten „Madame Ngo“ den nächsten Trend. Kurz darauf eröffnete er das „Funky Fisch“ mit grandiosem Frischfisch-Angebot, und das „Golden Phoenix“ im Wilmersdorfer Hotel „Provocateur“. Zum Gästemagnet entwickelte sich das „Restaurant 893 Ryotei“. Hinter graffiti-besprühten Fenstern eines hässlichen 70er-Jahre Mietkastens hat Ngos koreanische Innen-Architekturmuse Hyunjung Kim ein stylisches Interieur in Schwarz und Gold geschaffen, in dem betuchte Feinschmecker beste Stücke vom Thunfischbauch oder norwegische Kaiserkrabben zu Champagner und erlesenen Weinen genießen. Zuletzt kam neben dem „Funky Fisch“ noch der koreanische Deli „Ngo Kim Pak“ ins Portfolio.
Trends setzen hat natürlich auch seinen Preis, man darf nicht stehenbleiben“, sagt er dann. Deshalb wird im Juli das 25 Jahre alte„Kuchi“ geschlossen und komplett umgebaut, sowohl innenarchitektonisch als auch kulinarisch.
„Zurück zu den Wurzeln, back to the roots“, soll es gehen. Keine Fusion-Kreationen mehr, puristischer, japanischer. Nur noch fünf, sechs Signature-Kreationen wie die „My Best Friends Roll“, ein Sushi mit Innenleben aus Tempura-Gemüse, Kresse, Reis, ummantelt von rohem Lachs, soll es noch geben. „Viele andere meiner Fusion-Kreationen haben Hunderte Sushi-Bar-Betreiber kopiert. Mit dem alten „Kuchi“ hatte ich kaum noch ein Alleinstellungsmerkmal“, erläutert der Gastronom. Anfang/Mitte August soll das generalüberholte „Kuchi“ an alter Stelle wieder eröffnen.
Duc, wie ihn seine Freunde nennen, ist ein charmanter Gastgeber. Auf den Tisch kommen drei verschiedene Sorten Austern, Fin de Claire, Giradeau und Poget Austern. Als nächstes bringt der Profi-Service auf der Stahlplatte punktgenau gebratenen Schwertfisch mit einem feinen, leicht scharfen Tomaten-Zitronensugo, Kapern, Salicorn-Algen und frischen Kräutern und rohe Gelbschwanzmakrele mit Fenchel-Stückchen und zitronigem Dressing. Dazu gebratenes Gemüse und handgeschnittene Pommes. Es ist ein Vergnügen The Duc Ngo beim Essen zuzusehen. „Manchmal denke ich, diese vielen verschiedenen Lokale habe ich nur eröffnet, damit ich jeden Tag etwas anderes Gutes essen kann“, scherzt er.
Denn natürlich isst er auch fremd, ob gezielt auf kulinarischen Expeditionsreisen zu Spitzenköchen von USA bis Japan, aber auch quer durch Deutschland und in Berlin. Dabei ist die Bandbreite seines Spektrums enorm, von Drei-Sterne-Restaurants wie dem Wolfsburger „Aqua“ oder dem Berliner „Rutz“ bis zum Döner „Pamfily“ am Leopoldplatz oder Currywurst bei „Kudamm 195“.
Nicht nur kulinarisch ist der The Duc Ngo ein Arbeitstier, sondern auch geschäftlich. „Mein Arbeitstag endet selten vor 22 Uhr. Das sind meine vietnamesischen Gene“, sagt er. Er kam im Juli 1974 in Hanoi zur Welt. „Mein Vater war Chinese. Diese Minderheit wurde Ende der 1970er Jahre in Vietnam stark diskriminiert. Meine Eltern mussten ihr Gemischtwarengeschäft schließen, wurden täglich schikaniert“, berichtet der Gastronom. Deshalb entschied sich die Familie zur Flucht. „Wir fuhren mit einer Schleuser-Dschunke, die für höchstens 30 Passagiere zugelassen war, mit 80 Menschen über das Südchinesische Meer“.
Obwohl er gerade fünf Jahre alt war, erinnert er sich genau daran. „Diese Strapazen damals, kaum Trinkwasser“, berichtet er. Nach der Rettung gab es in einem Sammellager in Hongkong dann die Möglichkeit, von einem Tag auf den anderen nach West-Berlin auszureisen. Mit 18 machte er an der Wilmersdorfer Friedrich-Ebert-Oberschule sein Abitur.
Schon zwei Jahre zuvor jobbte er bei McDonalds an Clayallee, verkaufte Eis im
Zoologischen Garten. „Gastronomie hat mich immer interessiert. Ich aß gerne und
fing an, selber zu kochen.“ Früh begeisterte er sich für die japanische Küche.
„Einfach, klar, die Übertragung des Zen-Gedankens, das war mein Ding.“ Er
begann Japanologie an der Freien Universität in Berlin zu studieren und
arbeitete in traditionellen Sushi-Restaurants. Dort lernte er die essentielle
Schneidetechnik beim Rohfisch und wie man den Reis für Nigiri-Sushi schnell und
elegant mit der Hand formt.
Fisch ist nach wie vor sein Hauptprodukt. „Da habe ich mittlerweile sechs, sieben Händler meines Vertrauens. Bei manchen Sachen verhandele ich gar nicht mehr über den Preis. Etwa wenn mir mein Bekannter Roderick Sloan aus Norwegen, Jakobsmuscheln anbietet, dann sage ich ohne nachzufragen: Ja, schick sie mir. Auch bei Kaisergranat. Das habe ich mir erarbeitet, und darauf bin ich stolz. Ich verarbeitete Fisch und Meeresfrüchte in einer Qualität, darum beneiden mich manche 3-Sterne-Restaurants“, erklärt er. Und führt aus, dass man sich diese Postion „über die Jahre verdienen muss“.
Zum Leben
eines erfolgreichen Gastronomen gehört auch, mit Misserfolgen klar zu kommen.
So 2008. Da musste er das Feinschmecker-Restaurant „Shiro i Shiro“ in der
Rosa-Luxemburg-Straße schließen. Zum Glück liefen die anderen Läden weiterhin
gut. Als nächstes folgte eine sechsmonatige Selbstfindungstour in die USA, nach
Japan, Süd Korea, Indien und in die Türkei. Im Ergebnis kochte er in der
neueröffneten Szenelocation „Bar Tausend“ am Schiffbauerdamm an der Spree in
seiner „Cantina“. „Es war ein neues Level. Wir spielten in der
Champions-League. Hier lernte ich neue Leute kennen, die fragten, ob ich nicht
für sie Konzepte entwerfen und realisieren könnte.“
Sein nächstes Berliner Projekt entsteht bereits in Sichtweite seines Kraftfeldes, an der Kantstraße 28 Es soll ein weiterer Meilenstein werden. Ein kleines, intimes 24-Sitzplätze-Fine-Dining Restaurant, das „Le Duc“. Geplant ist die Eröffnung im Dezember, spätestens Januar/Februar. „Mit diesem Restaurant will ich nach den Sternen greifen“, sagt The Duc Ngo. Ein guter Vorsatz zum 50. Geburtstag.
Berliner Restaurants von The Duc Ngo
Kuchi, Kantstr. 30,
Charlottenburg, Tel. 31 50 78 15,
Mo.-So. 12–23 Uhr,
Kuchi Mitte, Gipsstr. 3, Mitte, Tel. 838 66 22,
tägl. 12–23 Uhr,
Next to Kuchi, Kantstraße 30, Charlottenburg,
Tel. 31 50 78 16, tägl. 12-21:30 Uhr,
Cocolo Ramen, Gipsstraße 3, Mitte, Mo.-Sbd. 8-23 Uhr,
Cocolo Ramen X-berg, Graefestraße 11, Kreuzberg,
Mo.Sbd. 12-21 Uhr, Tel. 98 33 90 73, Mo.Sbd. 12-21 Uhr, alle fünf Restaurants:
www.kuchi.de
Madame Ngo, Kantstraße 30, Charlottenburg, Tel. 0157/53 60 40 89, Mo.-Sbd. 12-17 und 18-22:30, So. 12-17 und 18-22 Uhr, www.madame-ngo.de
893 Ryōtei,
Kantstraße 135/136, Charlottenburg, Tel. 0176/56 75 41 07,
Di.-Sbd. 18-23 Uhr, www.893ryotei.de
Funky Fish, Kantstraße 135–136, Charlottenburg,
Tel. 0163/938 22 15, Di.-Sbd. 12-22 Uhr, www.funky-fisch.de
Ngo Kim Pak, Schlüterstraße 22-23, Charlottenburg, Tel.
01590/615 81 14, tägl. 12-22 Uhr, www.ngokimpak.de
Golden Phoenix, Brandenburgische Straße 21,
Wilmersdorf, Tel. 0151/64 62 59 45, Di.-Sbd. 18-23 Uhr,
www.goldenphoenix.berlin