Vitaminbooster und Geschmacksfeuerwerk

Supergrün: Robin Burr, Marie Merour und Silke Wehrle (v.l.)

Kräuter- und Gemüsesprossen sind Energie- und Vitaminspender, außerdem schmecken sie gut und eignen sich nicht nur für Restaurants als dekorative Augenweide. Ein Vororttermin bei zwei Berliner Firmen

Ganz am Ende des mehr als 110 Jahre alten Industriedenkmals der ehemaligen optischen Werke von Carl Paul Goerz stehen zwei Überseecontainer von „Supergrün“. In einem der beiden Container findet die Anzucht, das sogenannte Seeding der Microgreen-Sprossen statt. In quadratischen Boxen wachsen dichtgedrängt fingerhohe nadeldünne Stengel Koriander, Brokkoli, Pak Choi, Erbse, Fenchel, Kapuzinerkresse, Thai Basilikum, Karotte oder Rote Oxalis.

Supergrün: Biologin Marie Merour ist für die Zucht verantwortlich.

„Probieren Sie“, fordert Biologin Marie Merour auf. Selbst bei nur einer Fingerspitze der Mini-Blätter breiten sich im Mund intensivste Aromen aus. Mild, süßlich und mit feinen Laktritznoten ohne die Seifigkeit ausgewachsenen Korianders schmeckt die Mikrovariante, frisch und zart süßlich die Karottensprossen, zitronensäuerlich der rote Sauerklee Oxalis, nussig-pfeffrig die Kapuziner-Kresse im Miniformat.

„Der tolle Geschmack ist noch nicht alles. Rotkohl-Microgreens enthalten 40-mal soviel Vitamin E wie der ausgewachsene Rotkohl und bis zu 6-mal so viel Vitamin C. Und supergesundes Senföl ist in Brokkoli-Sprossen 16-fach mehr enthalten als in Supermarkt-Brokkoli“, erläutert Geschäftsführerin Silke Wehrle.

2022 hat sie mit Hilfe von Investor und Goerzwerk-Betreiber Silvio Schobinger das Start-up „Berlin Farms“ gegründet, zu dem Supergrün gehört. Seit Anfang 2023 wird produziert. Der 61-Jährige hat sein Geld mit Immobilen verdient, bevor er 2015 mit seinem Bruder das Goerzwerk übernahm. „Wir haben eine Baugenehmigung für insgesamt sechs Container. Damit könnte „Supergrün“ halb Berlin mit Microgreens versorgen“, so Schobinger.

Supergrün: Gesunde Sprossen en masse.

Im zweiten Container wachsen die in Schalen angezogenen Sprossen bis zur Auslieferung. Die mehr als 30 verschiedenen Sprossensorten werden über den eigenen Shop mit Abosystem vertrieben. Außerdem können ausgewählte Sprossen wie der beliebte Auf’s Brot Mix, Kräuterbutter, Salat und Vitaminmix und andere in den LPG-Geschäften in Berlin und über den Lieferservice „Knuspr“ bezogen werden. Zuletzt wurden die gesunden Microgreens ins Sortiment der Bio-Großhändlers „Terra“ aufgenommen. Auch bei „Lüske Genussmarkt“ in Lichterfelde und weiteren inhabergeführten Biogeschäften ist „Supergrün“ vertreten.

Nachhaltiger Anbau in Erde und ohne Düngemittel

„Ein zweites wichtiges Standbein ist die Berliner Gastronomie“, berichtet Silke Wehrle. „Kunden wie das Kreuzberger Sternerestaurant „Tulus Lotrek“, das „Dae Mon“ in Mitte, das „1687“, „The Knast“ in Lichterfelde oder „Austria“ am Marheinekeplatz in Kreuzberg „schätzen unsere Qualität, Frische und Vielfalt,“, sagt Silke Wehrle.

Erfahrungen mit Innen-Vertikal-Farming (IVF) hatte sie bei einer Firma gesammelt, die Substrate für Erzeugerentwickelt hatte. „Das Besondere bei dieser Anbauart ist, dass bis zu 90 Prozent weniger Wasser für die Bewässerung der Pflanzen benötigt und keinerlei Pestizide eingesetzt werden. Mittels künstlicher Beleuchtung und Hightech-Verfahren können ideale Bedingungen für das Pflanzenwachstum geschaffen werden. Die Idee dahinter ist, neben den wirtschaftlichen Aspekten, in Städten zukünftig unabhängig von Jahreszeiten und klimawandelbedingten Einflüssen einen großen Teil des benötigten Gemüses aus lokalen Innen-Vertikal-Betrieben anzubauen.

Supergrün: Robin Burr, Silke Wehrle, Marie Merour (v.l.)

„Uns ist aber auch schnell bewusst geworden, dass Vertikal-Farming noch nachhaltiger gestaltet werden kann und muss. Deshalb wird bei uns wird künstliche Beleuchtung aus Solarzellen gespeist. Die meisten IVF bauen ohne den Einsatz von Erde an und nutzen stattdessen Wasser-Dünger-Lösungen. Wir denken, dass ein nachhaltiger Anbau nur in Erde erfolgen kann und zwar ohne den Zusatz künstlicher hergestellter Düngemittel. Aufgrund des hydroponischen Anbaus sind heutige IVFs eingeschränkt auf Pflanzen, die diese Anbauart tolerieren. Das sind vor allen Dingen Salate und einige Kräuter. Der Anbau in Erde ermöglicht eine viel größere Produktvielfalt“, führt die 58-Jährige aus.

In Berlin gab es bereits einige Versuche, mit Indoor-Kräuter- und Sprossenzüchtung wirtschaftlich erfolgreich zu sein, etwa in der Schöneberger Malzfabrik. Allerdings wird hier außer Basilikum nichts mehr produziert. Auch die Millioneninvestition der Firma „Infarm“ in Spandau existiert nicht mehr. Und auch das Infarm-ähnliche Kräuter-und Salatangebot im Edeka-Center im sanierten Forum Steglitz existiert nicht mehr.

Gezüchtetes Soulfood für die kalte Jahreszeit

Bo Repplinger mit essbaren Blüten der Viola-Pflanze..

Am östlichen Stadtrand produziert das 2021 gegründete Berliner Vertical Farming Unternehmen „Potager“ in Biesdorf seit letztem Jahr Topf- und Schnittkräuter . „Der Name Potager kommt aus dem Französischen. Potagers sind künstlerisch gestaltete Küchengärten und Sinnbild für die Liebe zum frisch zubereiteten Essen“, erläutert .Bo Repplinger. Er hat an der Humboldt-Universität Gartenbauwissenschaften studiert und seinen Master in Prozess- und Qualitätsmanagement abgeschlossen. Seit einem Jahr leitet der 34-Jährige den Betrieb.

Bo Thomas Repplinger pflanzt 30 Koriander-Samen auf einmal in Töpfe.

In der fast fensterlosen Halle in einem Gewerbegebiet gelten im Zuchtbereich strenge Hygienevorschriften. Überzieher für die Schuhe, Handdesinfektion, Handschuhe und Mundschutz. In einem Vorraum werden mit einer Oktopus genannten Vorrichtung, sie heißt so weil über krakenarmgleiche Kunststoffröhren, bis zu vierzig Samen auf einmal in die Pflanzschalen fallen. Die sind mit einem Substrat aus geschredderten Kokosfasern und Vermiculit-Stückchen gefüllt. „Das Vermiculit speichert gut die über die Bewässerung zugeführten Nährstoffe und gibt sie ab, wenn die Pflanzen sie brauchen“. Erläutert Repplinger.

In Töpfen gezüchtet werden bislang Basilikum, Minze und glatte Petersilie. „zukünftig soll die Produktion um Töpfe mit rotem Basilikum, sehr gut geeignet für Smoothie-Getränke, Estragon, Salbei, Thymian, Dill und Zitronenbasilikum erweitert werden“, plant Repplinger.

Bo Thomas Repplinger prüft das Wachstum von Basilikum in Töpfen.

An Schnittware werden ebenfalls Basilikum, Kerbel, Thymian und Liebstöckel produziert. Abgerundet wird das über den Lieferdienst „Knuspr“ erhältliche Angebot mit Kleinblattsalaten wie Mini-Eichblatt, Blattsenfe und blaue, essbare Blüten der veilchenähnlichen Viola-Pflanze. „Die Salate und essbaren Blüten werden überwiegend von Restaurants geordert“, so Repplinger. Bislang zählen rund 20 gastronomische Betriebe zu den Kunden, unter anderen das Restaurant im noblen „Hotel Luc“ am Gendarmenmarkt und das vegane Restaurant „Das Försters“ in Prenzlauer Berg. Asiatische Köche würden die scharfen Blattsenfe schätzen, „die werden kleingehackt zu gegrilltem Fleisch serviert“.

Zwei bis acht Tage werden die Samen im Keimraum gezogen. Dort herrschen permanent 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und 25 Grad Raumtemperatur. Am schnellsten keimen die asiatischen Blattsenfe, am längsten braucht die glatte Petersilie. Vom Keimraum kommen die Pflänzchen in eine Turm genannte Anlage. Dieser Raum kann nur über eine Luftschleuse betreten werden, damit keinerlei Schädlinge das Wachstum beeinträchtigen können.

In bis zu 6,5 Meter Höhe stapeln sich hier die verschiedenen Pflanzen und Kräuter auf langen Auflagen, die mittels eines vollautomatischen Systems I-Padgesteuert in einem Regalsystem unter optimalen Lichtverhältnissen wachsen. Dazu verströmen LED-Lampen rotes, grünes, blaues und fast infrarotes Licht. „Die Beleuchtung können wir je nach Wachstumsstand optimal anpassen“, erläutert der Betriebsleiter und verweist darauf, dass keinerlei Pestizide verwendet werden.

Mini-Eichblattsalate wachsen bei “Potager” unter mehrfarbigem Licht.

Die mit Nährstoffen angereicherte Bewässerung ist als „rezirkulierendes System“ angelegt. „Was die Pflanzen nicht aufnehmen läuft ab und wird gesammelt. Mittels einer elektronischen Sonde wird die Qualität geprüft, es wird gereingt, mit neuen Nährstoffen versetzt und wieder eingesetzt. „Dadurch sparen wir bis zu 90 Prozent des Wassers, das ein herkömmlicher Betrieb einsetzen muss“, so Repplinger. Kulinarisch schwört er auf Genoveser Pesto mit Basilikum und mit Petersilie, Liebstöckel und Kerbel gewürzte Eintöpfe, „Soulfood für die kalte Jahreszeit“.

Berlin Farms, Supergrün, Goerzwerk, Goerzallee 299, Lichterfelde, Tel. 0160-242 51 12, www.supergruen.shop

Potager Farm, Tychyer Straße 6, Biesdorf, vom 14. bis 21. 12 findet zwischen 9.30 und 20 Uhr ein Verkauf am Biesdorfcenter statt, Weißenhöher Straße 108. www.potager.farm

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