300 Kilo Kartoffeln pro Tag, mindestens – Mensa Nord, Berlin-Mitte

Die Mensa Nord der Humboldt-Universität ist Berlins beliebteste Mensa. An der Hannoverschen Straße in Mitte speisen Montag bis Freitag täglich rund 4000 Studentinnen, Studenten und Universitätsmitarbeiter

Köche der Mensa Nord, Berlin, © FM Rohm

Köche der Mensa Nord, Berlin, © FM Rohm


05:55
Die hellbraune Ziegelfassade der Mensa Nord leuchtet in der Morgensonne. Vor sieben Jahren entstand in der 1861 errichteten ehemaligen Wäscherei der Charité eine der größten Mensen Berlins mit viel Glas, Beton und Stahl. Innen wurden nur die eierschalenweißen Kachel und klassizistische gusseiserne Säulen im Essen-Ausgabebereich erhalten. Unter der Decke verlaufen dicke, silbern glänzende Abluftröhren im modernen Industriestil. Blitzblank sauber warten die Essenstationen mit viel Edelstahl und Glas auf den großen Ansturm. 
06:10 
Kurz nach sechs Uhr macht Mensaleiter Hans Oberländer den ersten Gang durch die große gekachelte Küche, die sich direkt hinter der Halle mit den Essenausgabeflächen befindet. Als nächstes begrüßt er den Fahrer eines großen Kühl-LKW, der frisches Obst und Gemüse anliefert. Mehr als eine Tonne Lebensmittel verarbeitet Oberländer mit seinem sechzigköpfigen Team pro Wochentag. Am beliebtesten sind Kartoffeln. „Da gehen pro Tag mindestens 300 Kilo als Pommes, Püree, Salzkartoffeln und Salat weg.“ Sein Stellvertreter Marco Wenske und Lagerarbeiter Tobias May inspizieren die Frischware. 
Asiagericht der Mensa Nord, Berlin, © FM Rohm

Asiagericht der Mensa Nord, Berlin, © FM Rohm

06:40 

Oberländer schaut auf der Facebookseite nach, ob es Kommentare zum Essen am Vortag gab.„Wir reagieren so schnell wie möglich auf Feedback. Unser Ziel sind zufriedene Kunden“. Die hat er. Bei Studentenbefragungen liegt die Mensa Nord immer ganz vorne.
07:00 
Schichtbeginn für die sechs Köche. Der Chef und sein Stellvertreter besprechen mit ihnen, was „Renner und Penner“ des heutigen Tages sein könnten. Sprich, wovon werden voraussichtlich die meisten Portionen weggehen, wovon weniger. Dann erfolgt die Ausgabe der Rezepturen. Jeden Tag kochen die gelernten Köche fünf Gerichte, fünf Beilagen, zwei Suppen. Außerdem werden an Aktionsständen Komplettgerichte wie Gyros mit Tzatziki, Pommes und Salat oder Soja und Gemüse im Wok a la Minute zubereitet. Daneben es gibt einen Stand mit Antipasti, fünf Salatausgabestellen, vier Dessert- sowie Getränke-Stationen.

07:40
Koch Ingo Maschek dünstet in einem badewannengroßen Bräter Zwiebeln an, gibt neun fünf-Liter-Dosen geschälte Tomaten dazu, eine 3 Kilo-Dose Tomatenmark, Rosmarin, Chili, Knoblauch. Der Rührbesen ist 1,20 Meter lang und armdick. „Das wird die Soße für die Gnocchi“, erklärt er. Wenn die rund sechzig Liter Tomatensoße fertig sind, werden sie in Wärmebehälter abgefüllt. Mehr als 600 Portionen davon werden heute verkauft. „Wir produzieren alle unsere Soßen selbst“, sagt Maschek stolz. Zum Binden wird seit einiger Zeit Reismehl verwendet, damit Gluten-Allergiker keine Probleme bekommen. 
08:05 
Hans 
Oberländer und Marco Wenske sitzen in der „Kleinen Runde“ mit Nicoletta Martini und Ilona Reutemann. Sie zählt zum Urgestein, ist seit 27 Jahren dabei und für Dienstpläne der einzelnen Schichten zuständig: Wer gibt Essen aus, wer kümmert sich um Desserts und Salate, wer ist in der Spülstraße. Die Verwaltungsangestellte Nocoletta Martini hat die Kassen unter sich und berichtet, welche Gerichte am Vortag wie oft verkauft wurden. 

Köche der Mensa Nord, Berlin, © FM Rohm

Köche der Mensa Nord, Berlin, © FM Rohm

8:45 
Oberländer und Wenske besprechen die Bestellungen für den nächsten Tag, organisieren die Abläufe mit den Köchen und kümmern sich um Gerichte, die Vorlauf brauchen, wie z.B. Schweinebraten. „Neben Frische, Regionalität und Qualität legen wir großen Wert auf Nachhaltigkeit“, erklärt Hans Oberländer. Außerdem sind jeden Tag vegetarische und vegane Gerichte im Angebot. 
09:50 
Kurz bevor die Mensa öffnet, hat Anette Krüger den Imbissstand mit Bratwurst, Schnitzel, Bouletten Bratkartoffeln und Kartoffelsalat startklar. Die ersten Kunden sind Arbeiter von der Riesenbaustelle an der Charité, die hier günstig vespern. Bezahlt wird mit der MensaCard, die für eine Leihgebühr von einmalig 1,55 Euro gezogen und dann in 5-Euro-Schritten geladen werden kann. Für die meisten Speisen gibt es drei Preise. Den niedrigsten für Studenten, den mittleren für Universitäts-Angestellte, den höchsten für Universitätsfremde. Studenten werden in der Regel für 3,50 Euro satt, Gäste für 5,50 Euro. Das Besondere: Man kann sich sein Essen selbst zusammenstellen und so viel auf den Teller tun, wie man wünscht. 
10:05 
Elena Helm schält Ananas, Grapefruit, Orangen, Cantaloupe-, Honig- und Wassermelonen. Davon schneidet sie in einer Vorbereitungsküche rund 300 Portionen Obstsalat. Zum Schluss mischt sie helle und blaue Trauben unter. Alle paar Tage wechselt sie an die Essenstationen. „Abwechslung muss sein“; sagt die Frau aus St. Petersburg. 
11:20
Die ersten Essenstationen sind mit sogenannten Gastronormbehältern befüllt. In der Essenausgabe fahren Hans Oberländer und sein Team „zwei Linien“. Das heißt, Hauptessen und Beilagen können an zwei Orten gefasst werden. Dadurch verkürzen sich die Wartezeiten. Auch die frisch zubereiteten Salate und Desserts warten in Gastronormbehältern auf die ersten Esser. 
Obstteller Mensa Nord, Berlin, © FM Rohm

Obstteller Mensa Nord, Berlin, © FM Rohm

11:35 
Der Sturm bricht los. Wie vor einem Bienenstock sammeln sich mehr und mehr Hungrige im Eingangsbereich. Einige studieren das Tagesangebot auf den Bildschirmen, andere haben es schon als App auf dem Smartphone gesehen oder im Internet. Maria Nassiri, Wojiech Francuzik, Tina Kraus und Juliane Linder, Biologie-Promotionsstudenten kommen jeden Wochentag, immer um halb zwölf. „Dann ist es noch nicht so voll“. Die rund 800 Sitzplätze im Erdgeschoss und im ersten Stock werden bis Mensaschluss um halb drei etwa fünfmal besetzt. Heute essen die Biologiestudentinnen die Gnocchi, Kartoffeltaschen mit Frischkäsefüllung und Milchreis.
12:45 
Hochbetrieb an den Ausgabestellen. Sowie ein Behälter leer ist, wird nachgefüllt. Bei den Favoriten wie den Gnocchi bilden sich Schlangen. Studenten die wenig Zeit haben, entscheiden sich spontan um und nehmen sich dort Essen, wo sie nicht warten müssen. An den acht Kassen wird im Sekundentakt abgerechnet, dahinter stehen die Besteckkästen. Bei gutem Wetter sind die 150 Terrassenplätze im Nu besetzt. 
14:30 
Die Essenausgabe endet, nur der Imbiss-Stand ist noch bis 15 Uhr geöffnet. Zum Dienstschluss geht Mensachef Oberländer noch auf das begrünte Vordach. Über ein Fenster im ersten Stock klettert er „zu den Bienen.“ Vier Völker betreut der Hobbyimker. Seit einigen Jahren ist er Mitglied der Initiative „Berlin summt“. Die knapp zweihundert Kilo Honig pro Jahr werden in Gläser abgefüllt und an der Kaffee-Bar verkauft.
15:15  
„Alles in Ordnung?“ fragt Georgi Roydev seine Kollegin Heike Schimke in der Tellerwaschstraße. Sie nickt, nimmt kurz die Ohrenstöpsel heraus. Bei den Spülern ist es laut, das Porzellan scheppert beim Stapeln in die Rollwägen, die Metallbestecke klirren beim Einräumen. 8000 tiefe, genauso viele flache, noch einmal so viele Mittelteller sind im Einsatz, und 8000 Bestecke. Die werden magnetisch von den Tabletts gezogen und separat gespült. Außerdem müssen pro Schicht rund 500 Gastronormbehälter für die Speisen gereinigt werden. 
17:20 
In den loungigen Sofas der Kaffee-Bar fläzen Grüppchen von Studenten. Seval Tuna gibt Blechkuchen aus. „Alles hausgebacken“, erklärt die Frau mit türkischen Wurzeln. Es gibt Bio-Pflaumenstreusel, Kokos-Mandarine, Marmorkuchen, Brownies und Muffins für kleines Geld. Der Bio-Kaffee ist fair gehandelt. „Eigentlich ist diese Mensa hier wie ein Szenerestaurant“, meint Michel Garge. Für den 24-jährigen Elektrotechnikstudenten sind Angebot und Ambiente „einmalig in Berlin“. Um 18 Uhr schließt die Mensa Nord ihre Türen.

 

Mensa HU Nord, Hannoversche Straße 4, Mitte, Mo-Fr 11-14.30 Uhr, Coffeebar Mo-Fr 10-18 Uhr, Tel. 93 93 97 522

 

Veröffentlicht unter Reportagen