Elektrische Fortbewegung ist eines der großen Themen urbaner Mobilität. Die Scooterhelden Berlin in Friedenau setzen auf die einfachsten Lösungen. Und die machen jede Menge Spaß
Auf den ersten Blick ist das Geschäft zwischen Bundesallee und Varziner Platz ein mit Euro-Paletten-Design gestalteter kleiner Laden voller Roller und Räder. Erst auf den zweiten Blick und im Gespräch mit Marcel Hutfilz und Danilo Behrend wird klar: Hier befindet sich eine Keimzelle mobiler individueller Stadt-Elektromobilität. Alle Fahrgeräte, vom einfachen Roller über Skateboards bis zum futuristischen Einrad funktionieren batteriebetrieben.Allerdings, und hier liegt der Haken des gerade einmal ein Jahr alten Unternehmens, noch fehlt die rechtliche Grundlage, sich mit den meisten Gefährten gesetzeskonform im Straßenland zu bewegen. „Wir befinden uns in einer Grauzone“, konstatiert der 33-jährige Marcel Hutfilz. „Was in Deutschland eine Straßenzulassungen erhält, muss einen Sitz, einen Lenker und eine mechanische Bremse vorweisen.“
Genau das hat die abgefahrenste Sparte des Sortiments aber eben nicht: Elektromotorgetriebene Einräder wie das One E+ der Firma Ninebot . Könnte man das runde Teil an der Wandhalterung noch für ein dickes, mobiles Crêpe-Backblech halten, staunt man nur baff wenn am Boden die zwei Fußstützen ausgeklappt werden. Und ist verzückt wenn Marcel Hutfilz und Danilo Behrend mit der Luftbereifung über den Bürgersteig zu schweben scheinen. Beschleunigt und gebremst wird lediglich durch Gewichtsverlagerung.
Was bei der Vorführung auffällt: Wenn die beiden mit ihren Elektro-Einrädern auf dem Bürgersteig oder der Straße unterwegs sind, zaubern sie fast bei allen Verkehrsteilnehmern ein Lächeln ins Gesicht. Gelenkt wird per Impuls aus der Hüfte auf die Beine. Knallt man damit nicht ganz schnell übelst aufs Pflaster? „Ein bisschen Übung braucht es, aber man beherrscht die Einräder erstaunlich schnell“, erwidert Marcel Hutfilz, der sich selbst als „notorischen Grobmotoriker“ bezeichnet. Lachend erinnert er sich an seine ersten Versuche auf dem Tempelhofer Feld. Heute bewegt er sich selbst auf 25 vollgestellten Quadratmeter Ladenfläche mit traumwandlerischer Sicherheit. Gerade bei den Einrädern empfehlen die beiden bei der Nutzung im Freien trotzdem entsprechende Schutzkleidung, Handschuhe und Helm zu tragen.
Erste Fahrversuche auf Youtube
Ihre Fahranfänge auf den Elektro-Einrädern haben sie gefilmt und auf You-Tube gestellt. „Dadurch haben wir viele Interessenten und Kunden gewonnen“, berichtet Marcel Hutfilz. Allein 2000 Abonnenten sehen ihre Filme mittlerweile auf Youtube, mit steigender Tendenz. Außerdem bieten sie auf ihrer Internetseite Versicherungs-Tipps an. „Mittlerweile gibt es glücklicherweise erste Versicherer, die E-Einradfahrer versichern“, freut sich Danilo Behrend.
Bis zu 30 Kilometer schnell fahren die Einräder, ihre Reichweite beträgt je nach Größe, die meisten haben 14- bis 18-Zoll Räder (zwischen 35,5 und 46 Zentimeter), bis zu 100 Kilometer. Aufgeladen werden können sie in zwei bis vier Stunden, die Kosten betragen je nach Leistungsfähigkeit zwischen 20 und 60 Cent.
Den gelernten KFZ-Mechanikern und Autoverkäufern kam die Idee mit den Elektro-Scootern vor drei Jahren. Gerade Vater geworden, wollte Marcel Hutfilz noch einmal etwas ganz Neues machen, „etwas mit Zukunft, etwas Nachhaltiges, und etwas, das Spaß macht.“ Im Internet und durch Fachpublikationen erfuhr er, dass in asiatischen Städten, besonders in China, bereits Tausende mit Elektro-Einrädern, E-Rollern und Mini Segways unterwegs sind. Er begeisterte seinen Freund und Kollegen Danilo Behrend für die Idee, und steckte seine Abfindung als Autoverkäufer in das neue Geschäft. Das hatten mittlerweile verschiedene Internet-Anbieter, aber auch große Discounter entdeckt.
Ihre Nische fanden Behrend und Hutfilz damit, alle Geräte zu testen, und nur solche ins Sortiment aufzunehmen, die ihren Qualitätsansprüchen genügen. „Es gibt Billigteile, da fangen die Nickel-Ionen-Batterien Feuer, weil minderwertige Komponenten verwendet wurden“, empört sich Hutfilz. Deshalb haben sie derzeit nicht mehr als neun Einräder und vier Scooter im Sortiment, allesamt getestet und teilweise sogar auseinandergebaut, um die Qualität der einzelnen Bestandteile festzustellen.
„Mittlerweile erhalten wir Anrufe von Händlern, die uns bei Problemen kontaktieren oder uns fragen, was wir von diesem oder jenem Produkt halten“, so Danilo Behrend. Auf Ihrer Website geben sie alle Informationen sofort weiter, und nehmen auch Anregungen und Kritik an. Preise für die Einräder beginnen bei den „Scooterhelden“ um 450 Euro, hoch geht es bis etwa 2 200 Euro. Bislang seien viele Kunden Büromenschen, Anwälte, auch Ärzte. „Das stehende Fortbewegen entlastet die Bandscheiben stark, man trainiert die Rumpf- und Beckenmuskulatur sogar mehr als beim Fahrradfahren“, behauptet Marcel Hutfilz. Die Einräder gibt es auch mit zwei Reifen, was einerseits Stabilität verbessert, anderseits angeblich den Fahrspaß mindert.
E-Scooter mit Nummernschild
Für weniger artistisch veranlagte Städter gibt es noch die Mini-Segways, die mit den Knien gelenkt werden, und rund 1500 Euro kosten. Außerdem im Angebot sind die klassischen Scooter, Elektroroller. Diese beinschwunggetriebenen Fahrgeräte, die vor etwa 20 Jahren eine Renaissance erlebten, werden durch die Elektromotoren zu hippen Stadtverkehrsflitzern. Bei Geräten wie dem SXT Light, mit knapp elf Kilogramm dem zweitleichtesten E-Scooter derzeit, kann digital die Maximalgeschwindigkeit, bis 25 km/h, geregelt werden, er verfügt über Scheinwerfer und Bremslicht, hat eine Reichweite von 30 Kilometern und kostet unter1 000 Euro.
Auch diesen Scootern fehlt allerdings die Straßenverkehrszulassung. Von den mit kleinem Nummernschild versicherten Elektroscootern gibt es im Sortiment etwa ein halbes Dutzend. Preislich beginnen sie bei 650 Euro und enden bei 4 500 Euro für Scooter der Kieler Manufaktur Scuddy. Allerdings dürfen sie nicht stehend gefahren werden. „Wegen der Vorschriften haben alle einen Sitz“, erklärt Marchel Hutfilz.
Er hofft stark, dass sich in diesem Bereich bald etwas tut. „Sonst wird es enden wie mit dem Magnetschwebezug. Der wurde in Deutschland entwickelt, fährt aber in Asien und nicht hier“. Die beiden sehen ein großes Potential für diese sehr individuelle Form der Elektromobilität in Großstädten wie Berlin, aber auch im Bereich von Menschen mit Bewegungsdefiziten. „Wir haben Kunden, die mit einem E-Scooter zum ersten Mal seit Jahren wie allein und selbständig zum Bäcker oder zum Kiosk fahren können“, berichten Danilo Behrend und Marcel Hutfilz. Alle elektrischen Mini-Personal-Transporter, so der englische Fachausdruck, können übrigens probegefahren werden. Und auch tageweise ausgeliehen.
Scooterhelden Berlin, Varziner Straße 5, Friedenau, Tel. 23 91 26 58, Mo-Fr 10-18.30, Sbd 10-14 Uhr, www.scooterhelden.de