Wenn das Lila am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer eine neue Entwicklung der Berliner Post-Corona-Gastronomie ist, können sich feinschmeckende Menschen freuen. Denn Chef Omar Ben Hammou kocht exzellent
Ein stimmiges Ensemble mit eleganten Holzmöbeln, kombiniert mit rustikaler Vollholz-Theke, saphirblauen Kacheln und überdimensionierten Traumfängern an den Wänden. Etwas störend: zu laute Musik. Alles andere: sehr stimmig. Neben der offenen Küche, ein Reifeschrank. An den Haken: ein 28-Kilo-Heilbutt. Fisch in der Trockenreifung? Geht!
Chef Omar Ben Hammou hat sich mit der Technik des australischen Koches Josh Niland beschäftigt, als er im Sterne-Restaurant Attica in Melbourne gearbeitet hat. Später im 3-Sterne-Restaurant Le Bernardin in New York hat Ben Hammou es in vier Jahren bis zum Chef de Partie gebracht. Darüber gibt es nur Sous Chef und Chefkoch. Das Lila sei ein Projekt auf Dauer angelegt, sagt er. Er sei Mitbesitzer. Vor 36 Jahren brachte ihn seine Mutter Lila in Lima zur Welt, sein Vater stammt aus Marokko. Omar könnte gut einem frühen Almodovár-Film mitspielen. Haare wie ein Kunstwerk von Anish Kapoor und Augen wie schwarze Löcher im All. Fast zu schön für einen Chef. Und doch durch und durch Chef.
Punkt sechs kommen die ersten Gäste, viertel nach sechs ist der 50-Plätze-Raum voll besetzt. Die dreiköpfige Küchencrew plus Chef legt los wie Pferde, vor denen sich die Türen zum Start eines Galopprennens öffnen. Im Sekundentakt ruft der Chef die Bestellungen. „New Yorker Geschwindigkeit“, sagt er und lächelt. Auch New York-Style sind Zeitfenster von zwei Stunden für den Besuch. So können die Tische zweimal besetzt werden.
Omar spricht abwechselnd Englisch und Spanisch, die Bestellungen meistens auf Englisch. Thunfisch Tataki, Ceviche, Jakobsmuscheln, Lachs für die Fischfans, Schweinebauch und Steak für die Carnivoren, gerösteter Blumenkohl, Gemüse mit Trüffel, Pasta mit Trüffel für die Vegan-Tarier.
Dazwischen kurze Statements: Er liebe die Einfachheit. Das Produkt ist heilig, der Geschmack soll tief sein, er spielt gerne mit Texturen. Peruvian Progressive Cuisine nennt er seinen Stil.
So moduliert er die klassische Ceviche mit fantastisch meerig schmeckenden Stücken vom sieben Tage trockengereiften Heilbutt in einer von roten Jalapeños geschärften Leche de Tigre, Limettensaft und Fischbrühe, begleitet von Süßkartoffelpüree mit krachig geröstetem Maiskörnern und wachsweichem Cuzco-Mais-Körnern, getoppt von Süßkartoffel-Chips.
Highlight des Abends war ein dickes, gedünstetes Stück vom luftgetrockneten Heilbutt mit einer hellen Brotkruste, gebettet in eine delikat austarierte Soße von Korianderpüree, kleinen gelben Paprika, grünem Knoblauch, Schalotten, geschmolzener Butter und Limettensaft. Klare Fischaromen, umwerfender Geschmack der Soße und floraler Biss von grünen Stangenbohnen machen diesen Teller zu einem Erlebnis. Panna Cotta mit weißer Schokolade, Crumble, Himbeeren und einem hauchdünnen Cracker aus Peru-Ginseng vervollständigte den Hochgenuss. Fazit: Sparen für den nächsten Besuch.
Paul-Lincke-Ufer 39/40, Kreuzberg, Tel.0174 – 845 58 08, Di-So 18.30 – 23 Uhr, Speisen: 11-34 €, Getränke: 0,2l Wein 7 -11 €, Cocktails 9-12 €, www.lilarestaurant.com