Nach zweieinhalb anstrengenden Stunden vom Ufer des Lysefjords hoch auf rund sechshundert Meter kommt an der Felskante des Preikestolen der Moment der Wahrheit. Wie nah rangehen bis zu der Stelle, an der es senkrecht sechshundert Meter hinunter geht? Hunderte haben den schweißtreibenden Anstieg für diesen unvergesslichen Thrill gemacht, und für ein Selfi an der Kante. Hier oben erlebt man einen sehenswerten Querschnitt durch Verhaltensmuster von Menschen aus allen Nationen und sozialen Schichten, vom Punk aus den USA bis zum Mönch aus Sri Lanka.
Die wagemutigsten setzen sich auf den Hosenboden und lassen die Beine herunterbaumeln. Das Gros der Priesterstuhl-Erklimmer hält einen respektvollen Sicherheitsabstand von etwa einem Meter. Ängstliche schmiegen sich an die rückwärtige Felswand, Eltern lassen ihre Kleinkinder nicht von der Hand, Hundebesitzer nehmen die Vierbeiner an die kurze Leine. Einige inszenieren ihr Erinnerungsfoto mit Sprüngen oder akrobatischen Verrenkungen an der Kante des 25 mal 25 Meter messenden Felsens, der übersetzt Predigerstuhl heißt. Bei gutem Wetter, nicht gerade häufig bei durchschnittlich 260 Regentagen, ist das Felsplateau des Preikestolen voll. Seit der spektakuläre Felsen als Location im letzten Mission-Impossible-Film weltweite Aufmerksamkeit erfuhr, strömen jedes Jahr Zehntausende zu dem Naturdenkmal in der Nähe von Stavanger.
Vom dortigen Fährhafen geht es eine halbe Stunde über den Lysefjord, an dessen Ufer Busse die Wanderer zum Ausgangspunkt des Weges bringen. Dort beginnt die Wander-Prozession über Stock und Stein, steil bergauf durch Kiefer- und Fichtenwälder bis auf sechshundert Meter Höhe. Der Weg über der Vegetationsgrenze gibt immer wieder grandiose Blicke Richtung Lysefjord frei. Der windet sich kilometerlang zwischen graubraunen Felsen und schimmert als eindrucksvoll leuchtendes blaues Band. Nach knapp vier Kilometer Strecke ist der Preikestolen erreicht. Nach einer gebührlichen Rast geht es mit der Abstiegsprozession wieder zweieinhalb Stunden bis zur Busstation und von dort per Fähre ins Zentrum von Stavanger.
Im Hafen mit pittoresken, farbigen Holzhäusern stehen Dutzende Touristen vor den Fast-Food-Restaurants Schlange. Essen im Restaurant ist in Stavanger zwar besonders wegen des vorzüglichen frischen Fisch ein Hochgenuss, allerdings ein sehr teurer.
Anderntags sind bei der Erkundung der Altstadt und der Domkirche aus dem 11. Jahrhundert Tausende Touristen von gigantischen Kreuzfahrtschiffen unterwegs und fotografieren buchstäblich jeden Blumentopf. Als am späten Nachmittag die Sirenen heulen, saugen die weißen Giganten die Massen wieder ein und verlassen wie ein Spuk den engen Naturfelshafen. Dann wird es gemütlich und der Bummel durch die Altstadt macht Spaß.
An Regentagen können Stavanger-Besucher problemlos mehrere Stunden im Erdölmuseum verbringen. Das moderne Museum lockt mit mit vielen Filmen, Animationen und interaktiven Möglichkeiten. Wer mag, kann in einen Tiefdrucktaucheranzug schlüpfen, mit dem Arbeiten an den Plattformen der Erdölfelder Ekofisk und Statfjord vorgenommen werden. Die Vorkommen von Öl und Gas werden mit Pipelines undSchiffen in Stavanger angelandet, raffiniert und verarbeitet. Durch diese Industrie sind die Bewohner der viertgrößten Stadt Norwegens wohlhabend geworden. Bei der Mobilität setzt man auf neueste Technik. In keiner Stadt Europas liegt der Anteil von Elektroautos höher als hier.
Ein weiterer Tipp für Regentage ist das einzige Fischkonservenmuseum des Landes. Es befindet sich südlich des Hafens in der Altstadt. Hier kann man eine Idee davon erhalten, unter welch anstrengenden Bedingungen vorwiegend Frauen bis in die Fünfzigerjahre sechs Tage die Woche im Akkord Hering, Makrele und Sardinen in Dosen fingerten. Stolz erzählt Museumspraktikant Frederik, dass in Stavanger der Dosenöffner mit Schlitz erfunden wurde, mit dem die Lasche des Fischkonservendeckels aufgerollt werden konnte.
Wer sich den anstrengenden Weg hinauf zum Preikestolen ersparen will, oder wer unter massiver Höhenangst leidet, kann den Felsen bei einem Ausflug der Schiff auf dem Lysefjord bequem von unten betrachten. Die Fahrt sollte man allerdings nur bei guten Wetter antreten, wenn man auf Deck den herrlich weiten Blick in die wunderschöne Landschaft genießen kann.
Weitere Informationen
Norwegisches Fremdenverkehrsamt: www.visitnorway.de
Beste Reisezeit ist im Hochsommer, Juli bis September.
Anreise
Norwegian Air Shuttle, SAS, KLM und Lufthansa fliegen von größeren Flughäfen in Deutschland, Österreich und Schweiz
Unterbringung
Hotels ab 55 Euro, Pensionen ab 39 Euro die Nach über www.booking.com, www.expedia.de oder www.hotelscan.com
Ausflug zum Preikestolen: Vom Fährhafen, zehn Fußminuten vom Kreuzfahrthafen, rund 26 Euro hin und rück, inkl. Bus.
Essen
Rund um den Hafen mehr als ein Dutzend Restaurants, zwei Personen mit Wein Minimum 100 Euro.
Fisketorget, Strandkaien 3, Tel. 0047/51527350, Mo-Sa 11-24, Frischfisch aus der Vitrine, www.fisketorget-stavanger.no
Pasha, orientalisch, vegetarisch, vegan, preiswert, Verksgata 1D, Tel. 0047/51559050, täglich 11-22 Uhr, www.pasharestuarant.no
Fischkonserven-Museum, Øvre Strandgate 88, Altstadt, Tel. 0047/51842700, Di-Fr 11-15, Sa+So 11-16 Uhr, www.museumstavanger.no
Norwegisches Erdölmuseum, Kjeringholmen 1a, Tel. 0047/51939300, täglich 10-16 Uhr, www.norskolje.museum.no