Freitagabend an der Ecke Chartres und Frenchmen Street im Viertel Faubourg Marigny. Die Brassband Debris schmettert mit drei riesigen Sousaphonen, einem Dutzend Posaunen, Trompeten und Saxophonen eine hüftbewegende Breitseite von fetten Tönen in die laue Nacht. Der Name Debris ist eine Anspielung auf Hurrikan Katrina. Nach dem Hurrikan musste New Orleans von zehntausenden Tonnen Schutt und Müll entsorgt werden, auf Englisch Debris. Mehr als 1 800 Tote forderte der Sturm vor dreizehn Jahren und brachte die Stadt an den Rand der Selbstaufgabe.
Seit der Katastrophe hat sich „Big Easy“, wie die Einwohner New Orleans manchmal nennen, in großen Teilen neu erfunden., Neue Wohnviertel sind entstanden, mit Milliarden Dollar wurden Pumpstationen gebaut, Dämme und Deiche gesichert. Mittlerweile werden mehr Besucher als vor Katrina gezählt.
Dazu hat sich die Bevölkerung stark verändert. Viele überwiegend afro-amerikanische Einwohner blieben in den Evakuierungsstädten in Texas und Nord-Louisiana, viele junge Helferinnen und Helfer sind in der Stadt geblieben. Von der berüchtigten Bourbon Street im French Quarter mit Striplokalen und krachlauter Musik hat sich die junge Szene Richtung Osten bewegt, nach Faubourg Marigny und Bywater.
Auf der Frenchmen-Street sind am Wochenende Tausende Menschen unterwegs. Sie machen das, wofür New Orleans berühmt ist: Party all night long. Vor der Brassband hat sich eine große Ansammlung von Feiernden versammelt, einige Tanzen wie Berserker, andere wiegen sich sanft im Rhythmus, viele filmen mit den Smartphone. Jeder hat etwas zu trinken in der Hand. New Orleans ist die einzige Stadt der USA, in der man Alkohol öffentlich konsumieren darf.
Obwohl die Autos nur zentimeterweise am Publikum vorbeikommen, gibt es keinen Stress. Nicht umsonst lautet das Motto der Metropole am Mississippi: take it easy. Später wird an der Ecke noch ein Freestyle Rapper Hip-Hop-Verse ins Mikro brüllen. Gegen zwei Uhr morgens dann singt sich eine Sängerin mit Amy Winehouse-Stimme so das Herz aus dem Leib, dass manchen Partygängern die Augen feucht werden.
Einen Block weiter hat das Off Beat Magazin über der Music Factory, dem besten Plattenladen der Stadt, sein Büro. Jeden Monat gibt Jan Ramsey mit einem kleinen Team ein Gratis-Magazin heraus, in dem alle Konzerte der Stadt aufgelistet sind – und in dem die neuesten gastronomischen Trends und Eröffnungen publiziert werden. Seit mehr als dreißig Jahren fungiert die 67-Jährige als Herausgeberin. Früher mit knallroten Haaren, trägt sie mittlerweile ein helles Weiß als Haarfarbe. „Die Stadt lebt von der Musik, wir hoffen sehr auf La Toya Cantrell, die erste farbige Bürgermeisterin einer US-Großstadt. Sie hat versprochen, die zehntausenden Musikerinnen und Musiker mehr zu unterstützen“. Bislang lebt das Gros der Musizierenden von Trinkgeldern.
Epizentrum des Vergnügens ist nach wie vor das Noch immer French Quarter, auch Vieux Carré genannt. 1718 gründete der französische Entdecker Jean-Baptiste Le Moyne, Sieur de Bienville, die Siedlung Nouvelle Orléans und nahm das nach Ludwig XV benannte Land Louisiana von der Mündung des Mississippi bis hoch nach Kanada für Frankreich in Besitz. Die ersten Häuser und ein kleines Fort wurden an einer Biegung des gewaltigen Flusses errichtet. Hier lag das Land durch Sedimentablagerungen höher und war so vor Überschwemmungen geschützt. Das Land nahmen die Franzosen Indianerstämmen wie den Coctow und Beloxi weg. Bald begannen sie, Sklaven aus Afrika für die Arbeit auf Zucker und Baumwollplantagen nach Louisiana zu verschleppen.
„Mitte des 19. Jahrhunderts zählte New Orleans durch den Profit, der mit Zucker und Baumwolle gemacht wurde, zu den reichsten Städten von Amerika. Hier stand das erste Opernhaus der USA und in den Stadtvillen wurde französische Hochkultur gelebt“, berichtet Robert Florence. Der 52-Jährige betreibt seit rund 30 Jahren sein Stadtführungs-Unternehmen. Er bietet Führungen auf den Spuren der Franzosen an, der für dreißig Jahre ansässigen Spanier, aber auch der Sklaven, des Jazz und nicht zuletzt des guten Essens von New Orleans.
Für ihn erfindet sich die Stadt immer wieder neu, ist „einzigartige mit ihrer Mischung von mehr als hundert Nationalitäten, der Musik, der Kunst und ihrer freundlichen Bevölkerung. Hier sagt man sich auf der Straße noch guten Tag, und alles läuft ein bisschen ruhiger als im restlichen Nordamerika“, so Florence. Zu seinen Lieblingsorten zählt der Friedhof St. Louis Number 1, auf dem die berühmte Drogen-Szene von Easy Rider gedreht wurde, und auf dem die Touristen das Grab der Voodoo-Königin Marie Laveau besuchen.
Zur Dreihundertjahrfeier bietet die Historic New Orleans Collection bis Ende Mai eine einzigartige Ausstellung in ihren wunderschönen Räumen an der Royal Street mitten im French Quarter. „Wir haben erste Karten der Siedlung aus französischen Archiven, auch große Gemälde, die Stadtgründer und ihre Schiffe zeigen. Die kamen zuerst Ende des 17. Jahrhunderts den Mississippi von Norden hinunter. Es dauerte dann noch einmal mehr als dreißig Jahre, bis sie den Weg an der Küste entlang über das Seensystem von Lake Bourne und Lake Pontchartrain zum Fluss fanden“, berichtet Daniel Hammer, stellvertretender Direktor des historischen Museums. Den Flusszugang vom Golf von Mexiko landeinwärts fanden die Entdecker viele Jahre nicht, sie scheiterten an Sandbänken und Untiefen. Mehr als hundert Kilometer breit ist das Delta des Mississippis, rund achtzig Kilometer südlich von New Orleans.
„Wer hier wohnt, darf keine Angst vor dem Wasser haben, weder dem des Flusses noch dem der Stürme“, sagt Chuck Perkins. Der in der schwarzen Community engagierte Poet betreibt das Veranstaltungslokal Café Istanbul in der neuen Szenegegend Bywater. Hier haben kleine Galerien eröffnet, in renovierten Häusern und Lagerhallen gegenüber wird Streetfood angeboten. Chuck Perkins rät, Bywater zu besuchen, solange es noch authentisch ist. „Die Mieten steigen derzeit mehr als zehn Prozent pro Jahr, das kann nicht mehr lange so cool bleiben wie es jetzt ist“, meint er.
Weitere Informationen:
Beste Reisezeit ist zwischen September und Mai.
Allgemeine Informationen: Fremdenverkehrsamt New Orleans & Louisiana, Wiechmann Tourism Service, Scheidswaldstr. 73, 60385 Frankfurt, Auskünfte Tel. 069/25538270, www.neworleans.de;
Unterkünfte:
International House Hotel, 211 Camp Street, Tel. 001/504/ 5339550, stilvolles Boutique-Hotel mit beeindruckender Lobby, ab 110 Euro, www.ihotel.com
The Burgundy B & B, 2513 Burgundy Street, sauberes Bed & Breakfast, Tel. 001/504/523372, ab 90 Euro das Doppelzimmer, www.theburgundy.com;
Hotel Maison De Ville, 727 Toulouse Street, ab 110 Euro, Tel. 001/504/3244888, www.maisondeville.com;
Touren:
Historic New Orleans Walking Tours, Tel. 001/504/9472120, www.tourneworleans.com
Raddampferfahrten: Steamboat Natchez, am Missississippi, täglich der Touren mit Dixiland-Kapelle,Tel. 001/504/5691401, www.steamboatnatchez.com.
Sümpfe und Alligatoren: Jean Lafitte Swamp Tour, Tel. 001/504/6894186, www.jeanlafitteswamptour.com
Musik:
Preservation Hall, Dixiland-Klassiker mit eigener Band. Unbedingt reservieren! 726 St.Peters, Tel. 001/504/5222841, www.preservation-hall.com
Spotted Cat, 623 Frenchmen Street, Brass, traditioneller und moderner Jazz,www.spottedcatmusicclub.com
Café Istanbul, 2372 St. Claude Ave., Tel. 001/504/9750286, Musik und Theater, www.cafeistanbulnola.com
d.b.a. , 618 Frenchmen Street, New Orleans-Szene-Mix, Tel. 001/504/9423731, www.dbaneworleans.com
The Jazz Play House, im Royal Sonesta Hotel, 300 Bourbon Street, Tel. 001/505/5532299, www.sonesta.com/us/louisiana/new-orleans/royal-sonesta-new-orleans/jazz-playhouse
Museen
The Historic New Orleans Collection, 533, Royal Street, Tel. 001/504/5234662, Di-Sa 9.30-16.30, So 10.30-16.30 Uhr, 300 Jahr-Ausstellung bis 25. Mai, www.hnoc.org
National WW II Museum,945 Magazine Street, Tel. 001/504/5281944, täglich außer Feiertage 9-17 Uhr, größtes Museum dieser Art der USA, www.nationalww2museum.org,
Southern Food and Beverage Museum, 1504 Oretha Castle Haley Blvd, 001/504/5690405, Mi-Mo 11-17.30 Uhr, auf 4000 Quadratmetern alles über die Südstaatenküche, inkl. Kochschule, www.southernfood.org
Essen
Brennan’s, berühmt für Frühstück im Garten, stilvoller Wintergarten, 417 Royal Street, Tel. 001/504/5259711, www.brennansneworleans.com
Mr Eds Oyster Bar & Fish House, grandiose Blue Point Golf Austern, alle Produkte frisch, preiswert, 512 Bienville Street, Tel. 001/504/3094848, www.mredsrestaurants.com
Curio, 301 Royal Street, Tel. 001/504/7174198, Mo-Do 11-22, Fr-23, Sa+So 9-22 Uhr, Chefin Hayley Vanvleet schickt neue Südstaatenküche, toller Balkon mit Blick ins French Quarter, www.curio.com
Napoleon House, 500 Chartres Street, Tel. 001/504/5249752, täglich 11-22 Uhr, feine Drinks und Cocktails im 200 Jahre alten Gebäude, www.napoleonhouse.com