Im Duett mit Spargel tanzt das säuerliche Stängelgemüse durch die Frühlingsküche.
Rhabarber ist „Old-School“-Nachtisch. Er schmeckt uns als Kompott, macht aber auch als Kuchenbelag eine gute Figur. Und doch hätte Rhabarber ohne feste Begleitung keine Chance in viele Münder zu gelangen. Denn ohne Süße wäre er ein krasser Außenseiter. Erst durch die Produktion von preiswertem Zucker wurde das dem Sauerampfer verwandte Gemüse im 18. Jahrhundert bei uns populär. Das ist nachvollziehbar. Ein Stück ungezuckerter Rhabarber zwischen den Zähnen, und schon weiß man, was aus den krachsauren Stängeln ohne Raffiniertem aus Zuckerrohr und Zuckerrübe geworden wäre: bittere Medizin, schleimlösend, entschlackend, abführend. Oder ein alternatives Haarfärbemittel, hergestellt aus dem Brei zerkleinerter Wurzelteile der zur Familie der Knöterichgewächse zählenden Pflanze.„Aber zum Glück gibt es Zucker und so trat Rhabarber seinen Siegeszug in unseren Küchen an“, erklärt Johannes Seidl vom Restaurant „Dreigut“ in der Uhlandstraße, in der Nähe des Kurfürstendamm. Der 37-jährige Koch verschreibt sich kreativer deutscher Küche. Großen Wert legt er auf regionale Produkte. So kommt der Rhabarber, den er im 3-Gang-Menü für 38 Euro verarbeitet „ aus der Gegend um Potsdam. Für mich der Beste in der Region“.
Rhabarber-Relish
Für sein Menü verwendet Seidl grün- und rotstieligen Rhabarber. „Der Grüne ist noch saurer als der Rote“, erklärt der gebürtige Dresdner. Mit blanchiertem grünen Rhabarber setzt der Koch eine spitze Nuance zur ziegenfrischkäse-gefüllten Blätterteig-Pastete. Dazu serviert er einen Wildkräuter-Salat mit Erdbeer-Vinaigrette. Die rosa gebratene Lammhüfte des Hauptgangs begleiten grüner und weißer Spargel, und ein fruchtiges Relish vom rotstieligen Rhabarber. Den kocht Seidl mit feingehackter roter Zwiebel, Honig, Zucker, gehacktem Ingwer und einer Spur Chili ein. Zu gebackenen, neuen Kartoffeln ein delikater mittelschwerer Gang, der bestens zur Jahreszeit passt. Als Nachtisch gibt es im „Dreigut“-Menü schlicht eine Kugel Rhabarber-Eis von der Bio-Eismanufaktur Köller aus Templin.
Ganz anders präsentiert sich das Rhabarber-Dessert von Gil Avnon. Der 44-jährige Patissier aus Berlin hat bei „Konditorei Genenz“ in Wilmersdorf gelernt, und kam über Stationen in der Wiesbadener „Ente vom Lehel“, im Londoner Hotel „The Dorchester“ und dem Berliner „Maritim-Hotel“ vor eineinhalb Jahren zur Good-Time-Gruppe, die in Berlin fünf asiatische Restaurants betreibt.
Für das Club-Restaurant „Prince“, das neue Flagschiff der Good-Time-Gruppe in den ehemaligen Räumen des „Shiro i Shiro“ an der Rosa-Luxemburg-Straße in Mitte, hat er sich eine extravagante Rhabarber-Süßigkeit ausgedacht, die ab Montag für sechs Euro auf der Karte steht.
Eine süß-saure Terrine wartet auf den Anstich mit dem Löffel. Nachdem die Rhabarber-Terrine im Mund ist, schließt man die Augen und schwebt auf einer Wolke im Desserthimmel. Avnons Baukasten-Komposition ist eine kleine Offenbarung. In cremig-süßer Mousse von weißer Schokolade, Sahne und Vanille-Sauce ruht eine Spur blanchierten Rhabarbers, darüber liegt ein Streifen Rhabarber-Crème-Brûlée. Den Boden bildet ein dunkler Rührteig mit 70-prozentiger Zartbitter-Schokolade. Begleitet wird die Köstlichkeit von herbem Rhabarber-Ragout. Dessen Säure kontert Avnon mit karamellisierten Zucker. Denn ohne Süße funktioniert Rhabarber „nun mal nicht“.
Dreigut, Uhlandstraße 171, Wilmersdorf, Tel.: 88 62 53 00, Mo.-Sbd. 12.30-24, So. 14.30-24 Uhr, www.dreigut.de
Prince, Rosa-Luxemburg-Str. 9-11, Tel.: 70 09 39 67, Mitte, tägl. 7-24 Uhr, www.prince-berlin.com