Die Ewige Stadt hat mehr Regentage als Berlin. Ein Besuch mit Schirm.
„Ich war noch nie da oben, obwohl ich aus Rom bin.“ Andrea Reimondo schüttelt kurz den Kopf. Dann serviert er köstliche gebratene Artischocken und himmlisch fluffige Polpette, pikante Kalbfleischbällchen in Tomatensoße mit braunen Bohnen. Der 28-jährige Patron der Hosteria La Vacca m’biraca, zu Deutsch Die besoffene Kuh, in der Via Urbana fügt rasch hinzu; „Aber dieses Jahr will ich rauf“.
Alle seine Gäste an diesem Abend waren oben, auf der 150 Meter hohen Kuppelspitze der Peterskirche. Das Pärchen aus Kalifornien, das ohne Unterlass Fotos von seinem Tagesprogramm via Smartphone verschickt, die Japaner vom Nebentisch, die uns keines Blickes würdigen, zwei Paare aus Spanien und der Achtertisch mit Ostküstenamerikanern, die mit jedem Liter rosso de la casa lauter und lustiger werden.
Draußen schüttete es wie aus Kübeln. Drei Stunden lang. Zum Glück lag unser Hotel nur fünfzig Meter entfernt vom Lokal. Wir hatten nicht gewusst, dass Rom mehr Regentage als Berlin hat. Mit milden Temperaturen und goldenem, mediterranem Licht sollte uns die Ewige Stadt unserer Vorstellung nach empfangen. Doch weit gefehlt.
Der nächste Morgen empfing uns mit altherrenunterhosengrauem Himmel, Wind, Regen und Temperaturen unter fünf Grad. Tapfer spannten wir die Schirme auf und erkundeten Colosseum, Forum Romanum und Palatin. Ehrfürchtig durchschritten wir die antiken Orte, ergriffen ob der schieren Größe, der Zahlen der im Laufe der Jahrhunderte getöteten Menschen, dem Alter der Bauwerke Augustus, Vespasians, Konstantins und der angeblich ersten Behausung von Stadtgründert Romulus. Froh waren wir über das klassizistische Museum mit zahlreichen Statuen, Fresken, Friesen, die auf dem Palatin gefunden worden waren und gratis im Trocknen zu besichtigen sind. Nach einer Dreiviertelstunde im Forum Romanum ging der Dauerregen in Starkregen über und wir retteten uns in eine kleine Bar mit knusprigen Panini und preiswertem Cappuccino. Von dort ging es schnurstracks zur Besoffenen Kuh und danach ins Hotel.
Unterhosenmaler in der Sixtinischen Kapelle
Anderntags freuten wir uns auf die geführte Tour durch die Vatikanischen Museen, die stundenlangen kulturellen Hochgenuss im Trockenen bedeuteten. Chiara Antonelli, lizensierte Führerin aus Rom, unterhielt uns mit kenntnisreichen kunsthistorischem Wissen und unterhaltsamen Anekdoten. So habe der Quantensprung an Plastizität in der Kunst der Renaissance mit dem Fund der antiken Skulpturengruppe des Laokoon zu tun, die Michelangelo als Inspiration diente.
Natürlich durfte die Geschichte des „Unterhosenmalers“ Daniele da Volterra nicht fehlen, der die ursprünglich nackten Figuren Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle nachträglich bis auf zwei Heilige an den betreffenden Stellen mit gemalten Stoffen und Tüchern verhülle. Die Prüderie der Päpste des Mittelalters führte zu vier Kisten mit abgeschlagenen primärer männlicher Geschlechtsteile antiker Statuen, die laut Chiara in den Depots der Vatikanischen Museen lagern.
Der Vorteil des Regenwetters waren verhältnismäßig wenig Touristen, man konnte sogar ohne Wartezeit den Fahrstuhl auf die Terrasse am Fuß der Kuppel nehmen um von dort trockenen Fußes hinauf gelangen. Oben hatten wir Glück, der Himmel riss auf und bescherte eine wunderbare Sicht.
Römische Feuchtgebiete
Beim abendlichen Besuch der Besoffenen Kuh empfahl uns Andrea Reimondo für den nächsten Tag, für den wieder Regen angesagt war, zwei wasserabweisende Sehenswürdigkeiten. So besuchten wir die Cafeteria auf der rückwärtigen Terrasse des Monumento Vittorio Emanuele II. Dieser gigantische Marmorbau, von manchen despektierlich als „Schreibmaschine“ bezeichnet, liegt an der verkehrumbrandeten Piazza Venezia. Zwischen kurzen Regenpausen können Rombesucher das Kapitol gleich nebenan besuchen, und die prachtvolle Basilika Santa Maria in Aracoeli. Die verglaste Cafeter
ia mit Blick auf das Forum Romanum und die Trajanischen Märkte eignet sich bestens als trockener Ort zur Einnahme von preiswerten Snacks und Kaffees.
Dreihundert Meter weiter in der Einkaufsstraße Via del Corso trutzt der Palazzo Doria-Pamphilj. Der von außen abweisend wirkende Bau öffnet sich Besuchern mit einem prachtvollen Ensemble von Salons voller Gemälde, kostbarer Seidentapeten, Spiegel und Skulpturen, durch das man mit einem unterhaltsamen Audioguide vom Nachkommen jener Adelsfamilie geführt wird, deren Mitglied Giovanni Pamphilj 1644 bis zu seinem Tod 1655 Papst Innozenz X. war.
Unterkunft:
Hotel Raffaello, Via Urbana 3/5, Doppelzimmer mit gutem Frühstück ab 90 Euro, Tel. 039/06-4884342
Ivanhoe, Via dè Ciancaleoni, 49, Doppelzimmer, Frühstück, Dachterrasse, ab 100 €, Tel. 0039/06- 4743186, www.hotelivanhoerome.com
Palazzo Doria Pamphilij, Via del Corso 305, Eintritt 11 €, Tel. 0039/06-6797323, www.doriapamphilj.it
Essen:
La Vacca M’Briaca, Via Urbana 29, preiswerte moderne römische Küche, Tel. 0039/06-48907118, tägl. 12-24 Uhr
Osteria della Suburra, Via Urbana 67, preiswerte, traditionelle römische Küche, Tel. 0039/06-486531, Di-So 13-15, 19-23 Uhr, www.osteriadellasuburra.com
Vatikanführungen über RomKarten, drei Stunden 45,50 € pro Person inkl. Eintritt Vatikanische Museen, www.romkarten.de