„Wirklich noch weiter hinter Ausbau Groß Kreutz?“ „Ja, fast bis die Straße endet, und dann gegenüber dem Möbelgroßmarkt rechts abbiegen“, instruiert Uwe Marsche per Handy. Endlich ist man auf der richtigen Schulstraße, hinter den Häusern senken sich Felder und Wiesen zur Regionalbahntrasse Berlin-Magedeburg hinunter. Am Horizont grenzt dunkelgrüner Waldrand das Land vom Brandenburger Himmel ab. „Wolkensteiner Hof“ steht mit Blechbuchstaben auf einem geschmiedeten Schild vor dem Backsteinhaus. „Das hat mir die Vorbesitzerin geschenkt, als ich den Hof nach ihrem Vater Oskar Wolkenstein benannt habe“, berichtet Uwe Marschke. Der drahte, muskulöse Enddreißiger arbeitet bei der Bundespolizei. In seiner dienstfreien Zeit steckt er „die Hände in die Erde“, und zwar sehr erfolgreich. Mittlerweile verkauft er sein Gemüse und Dutzende Kräuter an Restaurants wie das „Inspektorenhaus“ in Brandenburg, das „Restaurant Alte Überfahrt“ in Werder, das „Hotel Bayerisches Haus“ in Potsdam und Sternerestaurants in Berlin.
mmer wieder heißt es „Probieren Sie, riechen Sie, gut kauen.“ Und aufs Neue breiten sich unbekannte Geschmäcker im Mund aus, überraschende, exotische, bekannte, immer in unerhörter Frische. Was wie tiefgrünes Unkraut wuchert ist Neuseeländischer Spinat, zart und fein im Geschmack. „Kurz gedünstet, auf einem kräftigen Sauerteigbrot mit Butter, köstlich“, sagt Marschke und steht vor einem Feld mit blanker Erde. Wie in alter Zeit lässt er ein Drittel der Anbaufläche im Jahr brach liegen, „klassische Drei-Felder-Wirtschaft“. Wenn sich die Böden auf diese Art erholen, braucht es keinen chemischen Dünger, um gute Ernten zu erzielen. Auch auf Spritzmittel verzichtet er. Experimentiert hat er mit Brennesseljauche und Nikotinbrühe. „Ist aber nicht so effektiv. Wenn der Kartoffelkäfer kommt, dann ist eben Schluss.“ So wie bei den Miniauberginen, deren Pflanzen komplett abgefressen sind. Die nebenan wachsenden, länglichen Chili-Auberginen hingegen lassen die Käfer in Ruhe. „Keine Ahnung warum“, sagt Marschke. Er hat viel durch Fehler gelernt: den Schnittlauch unter der Erde abschneiden, Fruchtfolgen und Pflanzabstände einhalten, den Pflanzen Zeit und Wasser geben, dann funktioniert’s. Sein derzeitiger Stolz ist ein Feld mit Artischocken. „Das hat sich Marco Müller, 2-Sterne Koch von der „Weinbar Rutz“ in Berlin Mitte gewünscht. Ich wusste, dass es funktioniert, da ich hier schon die Artischocken für das ehemalige „Margaux“ angebaut habe. Bis Ende Oktober schätzt er, kann er die Distelgewächse ernten. Hauptproblem dieses Jahr ist das Wetter. Im März zu warm, im April ist ein Teil der Aussaat dem Frost zum Opfer gefallen. Dann der viele Regen. „Teilweise sind wir hier richtig abgesoffen.“ Zum Glück haben die Felder ein leichtes Gefälle, so trocknen sie relativ rasch wieder.
Vorbei an schweren Salaten von Eichblatt-, Kopf -und Römersalat über Lollo Rosso und Bionda geht es zu mannshohen Gewächsen, die an Bohnen erinnern. „Fast“, lacht Marschke, „das ist Topinambur. Ebenfalls sehr in Mode gekommen. Hieß früher mal die Kartoffel der armen Leute, heute ist es eher was für Betuchte.“ Zum Schluss der Feldrunde wird geschwitzt. In zwei Gewächshäusern wachsen Tomaten. Und was für welche. Riesen wie die „Big Rainbow“, die kiloschwer werden, gelbe und weiße, und viele andere, höchst aromatische, längst vergessene Sorten. Nebenan wächst Magentamelde, eine Spinatart, die ebenfalls von den Spitzenköchen geschätzt wird. Seit drei Jahren bietet er nun seine Gartenprodukte an, die Bestellungen haben sich verfünffacht. „Mehr geht arbeitsmäßig nicht“, meint Uwe Marschke, „die Balance mit der Arbeit und der Familie muss stimmen.“
Wolkensteiner Hof, Schulstraße 1, Groß Kreutz (Havel), Tel. 0162-374 81 70, www.wolkensteiner-hof.de