Sie gehört zu Berlin wie das Brandenburger Tor und der Checkpoint Charlie: die Currywurst. Jetzt wird sie 75. Wir gratulieren
Wie denn nun: Currywurst mit oder ohne Darm? Vor ein paar Jahrhunderten hätten die Anhänger der einen oder anderen Variante des Berliner Kult-Snacks vermutlich Kriege über diese Glaubensfrage geführt. Zum Glück leben wir in ansatzweise aufgeklärteren Zeiten und können über die Vorzüge des knackigen Biss’, mit Darm, oder der optimaleren Soßen-Saugfähigkeit, ohne Darm, friedlich mit anderen Essern an der Bude unseres Vertrauens diskutieren.
Als Erfinderin der Brühwurst mit Gewürztunke gilt Herta Heuwer. Bereits ein Jahr nach Ende des II. Weltkrieges verkaufte sie aus einer Holzbude nahe dem Stuttgarter Platz Bockwürste und Fischbrötchen. Ihre Nichte sagte in einem Interview, die aus Königsberg stammende Frau habe gerne mit verschiedenen Soßen für die Brühwurst experimentiert, als Alternative zum bis dato allherrschenden Senf.
Tradition und ewiger Genuss
Herta Heuwer hat ihr das Datum ihrer Erfindung genau benannt. Am Abend des 4. September 1949 habe es kräftig geregnet. Aus Langeweile habe sie dann an einer Soßenkreation mit Tomatenmark, Currypulver, Worcestersoße und verschiedenen Gewürzen getüftelt. Chillup nannte sie fortan ihre rote Soße und verkaufte sie mit großem Erfolg. Rasch gab es Nachahmer, die eigene Rezepturen entwickelten. Zwölf Jahre später, 1959 ließ sie die Bezeichnung als Warenzeichen für eine Spezialsoße eintragen. Bis zur Rente vermarktete sie „ihre Erfindung“ der Currywurst viele Jahre lang. Der Erfolg ermöglichte schon in den frühen Fünfzigerjahren den Umzug in ein Ladenlokal an der Kantstraße 101. Dort ließ ihre Nichte 2003 eine Gedenktafel montieren. „Ihre Idee ist Tradition und ewiger Genuss“ lautet der letzte Satz auf der Tafel, die mittlerweile stark zugewuchert ist. Ihr Rezept der würzigen Tunke nahm Herta Heuwer übrigens ins Grab.
Etwa 70 Millionen Currywürste werden laut Statistik allein
in Berlin im Jahr konsumiert, knapp ein Zehntel der in ganz Deutschland
schnabulierten. Mittlerweile gibt es sie in Bio und auch vegan. Und zur Berlin
Food Week Anfang Oktober wird im „Drive“, dem Volkswagen-Forum Unter den
Linden, Chefkoch Ben Zviel vom Friedrichshainer Restaurant „Café Frieda“ eine
sehr spezielle Curry servieren: Nicht im Brötchen sondern in einem
herzhaft-salzigen Berliner Pfannkuchen, mit selbst kreierter Tomaten-Curry-Soße.
Ein Leben ohne Curry ist möglich, aber sinnlos
Eine Auswahl Berliner Currywurst-Speisestätten
Kult
„Curry 36“ existiert seit 1981, hervorgegangen aus einem Wurstmaxe-Stand mit Kesselwagen. Nach der Übernahme durch Vera und Lutz Stenschke begann der Siegeszug der Wurstbraterei. Außer Heiligabend ist der Imbiss an allen Tagen im Jahr geöffnet. Die Schlangen vor dem Kultimbiss sind ein Fotomotiv für Touristen aus aller Welt. Mittlerweile wird die weltberühmte Currywurst an drei weiteren Filialen in der Stadt verkauft.
Curry 36, Mehringdamm 36, Kreuzberg, Tel. 251 73 68, täglich 9-5 Uhr, www.curry36.de
Ost-Curry
„Konnopke’s Imbiß“ unter dem Magistratsschirm der S-Bahn-Trasse ist eine
Ostberliner Institution und seit 1930 im Familienbesitz. Der Imbiss hatte 1960
als erster in Ost-Berlin Currywürste angeboten. Da es in der DDR wenig Därme
gab, wurde die Wurstmasse direkt in heißes Wasser gespritzt und so in Form
gebracht. „Ohne Darm, muss so“, sagt Linda Konnopke, 4. Generation der
Wurstbratstätte.
Schönhauser Allee 44/Ecke Danziger Straße, Prenzlauer Berg, Tel. 442 77 65, Di.-Fr. 11-18 Uhr, Sbd. 12-19 Uhr, www.konnopke-berlin.de
Bio
In unmittelbarer Nähe des Luxus-Tempels KaDeWe gibt es gleich zwei Currywurst
Imbisse. Einmal „Berliner Currywurst“ mit klassischem Angebot. Und gegenüber
„Witty’s“. Vor kurzem feierte Deutschlands erster Bio-Imbiss sein 40. Jubiläum.
Am U+S-Bahnhof Friedrichstraße und am Flughafen BER gibt es weitere Standorte.
Wittenbergplatz 5, Schöneberg, Tel. 21 19 49 96, Mo.-Sbd. 11-24 Uhr, So 12-23
Uhr, www.wittys.de
Mit Schampus
Seit 1965 ist „Bier’s Kudamm 195“ ein Treffpunkt für Promis, Poser und
Normalos. Schröder, Wowereit, Playboy Eden, Stars und Sternchen aus Kultur und
Sport stehen auf die Kombi Currywurst, Pommes rot-weiß, dazu ein Gläschen
Champagner. Mit Molle geht auch. Viele Fotos von Prominenten Gästen
illustrieren den Haute-Volée-Faktor. Zwei Filialen am Checkpoint Charlie und
Kantstraße.
Kurfürstendamm 195, Charlottenburg, Tel. 881 89 42; Mo.-Sbd. 11-5 Uhr, So 12-5 Uhr; www.biers-currywurst.de
Für Influencer
“Ein Leben ohne Currywurst ist möglich, aber
sinnlos” steht auf der Website von „Curry
61“. Wen in Mitte der Currywurst-Appetit überfällt. der kann bei
dem kleinen Imbiss zwischen Monbijoupark und Hackescher Markt haltmachen. Die
Kundschaft schätzt als Beilage und Krautsalat aus der Region, Pommes und die
wie üblich hausgemachte Currysoße. Auch Veganer werden hier glücklich, es gibt
vegane Currywurst aus Tofu und Seitan, vegane Mayo und sogar die Soße ist vegan.
Oranienburger
Straße 6, Mitte, Mo.-Do. 11–23, Fr.+Sbd. 11–24, So. 12–22 Uhr, www.curry61.de
Seit 1949
Der Imbiss „Zur
Bratpfanne“ gehört zu den ältesten Currywurst-Ständen Berlins.
„Das Beste ist uns
gerade gut genug“, lautet das Motto der 1949 gestarteten
Wurstverkauf-Unternehmung. Doppelt frittierte Pommes, Currywurst mit und ohne
Darm, Bouletten, Schaschlik, freundlicher Service und blitzsauer. Aufgebaut hat
das erfolgreiche Unternehmen 1949 Günter Mosgraber, Seine Frau Annemarie war
für die Rezeptur der würzigen Soßen zuständig. Heute führt ihr Sohn Matthias
den Betrieb.
Schloßstraße/Kieler Straße, Steglitz, Tel. 79 78 83 60,
Mo.-Sbd. 10-1 Uhr, Filiale in Lichterfelde, www.zurbratpfnanne.de
Die Schärfste
Hier dürfen Männer noch weinen, steht auf dem T-Shirt von Frank Spieß. Der
60-Jährige verkauft seit 20 Jahren Berlins schärfste Currywurst. An der
Straßenbahnhaltestelle Prinzenallee Ecke Osloer Straße stehen bei „Curry und
Chili“ in seiner feuerroten Bude zehn verschiedene Schärfegrade zur Auswahl. „Ab
Stufe sieben sollte ein Feuerlöscher in der Nähe sein“, scherzt Spieß. Die
meisten der frittierten Würste verkauft er von Stufe 1 bis 4.
Osloer Straße/Prinzenallee, Wedding, Tel. 0178-6367722, Mo.-Fr. 11-21, Sbd. 11-19, So. 13-18 Uhr. www.curry-chili.de
Die Idyllische
An der Heerstraße in Pichelsdorf liegt zwischen Havel und Wald die Baude von „Ketchup und Fries“. Der Ketchup wird nach altem Familienrezept in der 4. Generation täglich frisch ohne Konservierungsstoffe gekocht. Nach einem Ausflug Richtung Westen oder auf dem Rückweg ein Boxenstopp im Grünen für Curry-Aficionados.
Heerstraße 185, Wilhelmstadt, Tel. 44 31 80 44, Mo.-Fr. 9.30-22, Sbd. und So. 10-22 Uhr,
Die teuerste
Blattgoldstaub auf der Curry! So was gibt es nur im 5-Sterne-Hotel „Adlon“. „Eigentlich an der Lobby Bar, aber man kann sie auch auf der Terrasse der „Brasserie „Quarré“ genießen, mit Blick auf das Brandenburger Tor“, sagt „Quarré“-Küchenchef Rico Kägebein. Ein Brandenburger Metzger wurstet die Curry ohne Darm exklusiv fürs Adlon, auch die Milchbrötchen werden exklusiv hergestellt. Die Soße erhält Frucht und Süße von reifen Mangos. Etwa 150 Gold-Currys werden pro Woche für 26 Euro verkauft.
Unter den Linden 77, Mitte, Tel. 22 61-19 59, täglich 12-21:20, www.kempinski.com
Der Newcomer
Mathias Wolf zählt mit „Curry Wolf“ zur erfolgreichen jüngeren Generation der
Curry Anbieter. Angeboten wird sie an fünf Standorten in der Rankestraße, am Pariser Platz, in der
Steglitzer Schloßstraße, in Lichtenrade und in Potsdam. Alleinstellungsmerkmal
ist die Sauce namens Opium, wie üblich nach geheimer
Rezeptur. Wie viele andere bietet Wolf seine Soßen zum Mitnehmen an, sogar
übers Internet.
Rankestraße 36, Charlottenburg, Tel. 33 93 73 39, Mo.-Sbd. 9-22, So. 11-22 Uhr,
www.curry-wolf.de