Im Café Dreikäsehoch bieten Bäckermeister Thomas Neuendorff und seine Partnerin Ulrike Reschke knapp zwei Dutzend Sorten Käsekuchen an.
In verführerischer Anmut stehen die Käsetorten in der Kühlvitrine, tun so, als ginge sie die Ratlosigkeit der Kunden gar nichts an, die ob der schieren Auswahl verzweifeln. Lieber die Florentiner mit einer Mandel-Bienenstichdecke, oder die fruchtige-Papaya-Erdbeer? Die Eierschecke oder die mit Blaubeer-Mark bedeckte? Die mit Eierlikör oder die Kasida mit Königsdatteln, Pistazienmus und Rosenwasser?Ist die Entscheidung gefallen, verströmt sie ihr quarkfrisches, saftig-süßes Aroma auf dem weißen Porzellantellerchen. Wenn dann die kleine Gabel die weißlich-gelbe Masse zerteilt und sie endlich dorthin gelangt, wo sie hingehört, dann schlägt die große Stunde der Neuendorff’schen Käsetorten.
Betörend süß und aromatisch schmilzt die Masse im Mund, macht sich mit angenehmer Konsistenz am Gaumen breit und sorgt für einen süchtig machenden Moment im Café „Dreikäsehoch“ am Charlottenburger Kaiserdamm. Die gerade mal zwölf Sitzplätze sind gut besetzt von Menschen, die nach einem Gäbelchen kurz die Augen schließen und lächeln. Alle naselang geht die Tür auf und Kunden holen sich süße Wegzehrung. Erstaunlich: Niemand stört sich am achtspurigen Verkehr draußen.
Seit Ende November vergangenen Jahres betreibt Thomas Neuendorff mit seiner Partnerin Ulrike Reschke das Café. Nach einer Grundsanierung wurde es schmuck mit dezenten Spiegelflächen, gemütlichen Stühlen und goldfarbenen Lampen eingerichtet. Die Schlichtheit der felsgrauen Wände steht in angenehmen Kontrast zum üppigen Kuchenangebot. Hinter dem Tresen blitzt das blanke Chrom einer La-Cimbali Kaffeemaschine. Aus der zaubert Ulrike Reschke mit einer Mischung der Berliner Rösterei Kaminski ausgezeichnete Heißgetränke. Vor Öffnung des Cafés hat sie einen Barista-Lehrgang absolviert. „Das gehört heute einfach zum Standard.“ Schon wendet sie sich den nächsten Käsetortensüchtigen zu.
„Schmeckt’s“ fragt Thomas Neuendorff und grinst siegessicher. Himmlisch, diese Kombination von süßen Schokostreuseln, säuerlicher Birne und seiner, natürlich geheim gehaltenen Quarkmischung. „Mit der Schoko-Birne haben wir vor zwei Jahren bei der Königsdisziplin des Berlin-Brandenburger-Käsekuchen-Wettbewerbs den ersten Platz belegt“, sagt die gut gelaunte Ulrike Reschke. „In der Sektion ‚Hohe gebackene Käsetorte’“, erklärt sie und lacht verschmitzt.
Seit es diesen Wettbewerb gibt, der alljährlich in der Kreuzberger Marheineke-Markthalle stattfindet, war Neuendorff immer unter den besten zehn. Schon beim ersten Wettbewerb siegte er, damals mit der Blaubeer-Käsetorte, seiner Lieblingssorte. Begonnen hat seine Passion für den Kuchenklassiker vor mehr als zwanzig Jahren. 1994 war er mit gerade mal 23 Jahren Deutschlands jüngster Bäckermeister. 2007 übernahm Thomas Neuendorff den elterlichen Betrieb in Teltow. Er schwärmt von der konstanten Hitze der Rathenower Schamottsteine, die noch aus dem kohlebetriebenen Ofen aus den Dreißigerjahren stammen.
Mittlerweile hat er vier Verkaufsstellen, steht auf zwölf Wochenmärkten, verkauft im Internet und im Café. Was ist das Geheimnis seiner Käsekuchen? „Der Geschmack“ lautet sie simple Antwort, begleitet von einer weiteren Breitseite jungenhaftem Grinsen. Nix außer Quark, geschlagene Sahne, frische Eier, Zucker und Milch komme auf den Mürbeteigboden. Und Stärke, um den Kuchen Halt zu geben. Kein Zitronat, keine Aromen, „alles natürlich, so wie bei Oma“, erläutert der 43-Jährige. Die Kunst bestehe in der „geradezu intimen Prozedur des Backens“, erklärt er. „Käsekuchen darf man nicht aus den Augen lassen. Da kann eine zu hohe Temperatur schnell dazu führen, dass der Kuchen reißt.“ Also beobachtet er aufs Genaueste seine Torten die im Vier-Etagenofen zwischen neunzig und hundertzwanzig Minuten gebacken werden.
Ein weiterer Punkt ist die natürliche Milchsäure in der Quark-Sahne-Mischung die beim Backen die Käsetorten in die Höhe treibt. Deshalb schneidet Neuendorff jede einzelne Torte zweimal pro Backvorgang am äußeren Backring vorsichtig mit dem Messer ein.. „Das ist der Trick, um Blasen oder Risse zu verhindern“, verrät er. Alleinstellungsmerkmal seiner Kuchen ist ein Durchmesser von 28 Zentimetern. Normal sind zwei weniger. Die Höhe beträgt 8 Zentimeter. Zwischen 2,8 und 3,5 Kilogramm wiegen die Torten, das heißt, jedes Stück zwischen 220 und 280 Gramm. Wie viele Kalorien wohl so ein Stück hat? „Das steht doch überhaupt nicht zur Debatte“, sagt Ulrike Reschke, „unsere Torten machen nicht dick, sondern glücklich.“
Dreikäsehoch, Kaiserdamm 20, Charlottenburg, Tel. 33 00 89 90, täglich 10-19 Uhr, www.neuendorff-baeckerei.de