Pures Mangold

„Klar ham wer Mangold.“ Obst- und Gemüsehändler Thomas Loest auf dem kleinen Markt in

Rohkostlasagne mit Mangold, La Mano Verde © FM Rohm

Rohkostlasagne mit Mangold, La Mano Verde © FM Rohm

der Eberbacher Straße nahe dem Rüdesheimer Platz spricht mit Berliner Zungenschlag. „Det is Italiener, aber in zwee Wochen kommt der deutsche, aus der Pfalz. Dann wird er ooch billjer.“ Knapp fünf Euro kostet das Kilo Mangold derzeit bei Loest. Bis Herbst verkauft er die kirchenkerzenfarbenen, wächsernen Stängeln, aus denen dunkles Blattgrün sprießt. Persönlich mag er lieber Spinat.
Der hatte Anfang des vorigen Jahrhunderts in Deutschland Mangold den Beliebtheitsrang abgelaufen. Heute kauften eher junge Kunden das botanisch Beta vulgaris genannte Gemüse, und Einwanderer. Geografisch zählt auch Mangold zu den Einwanderern. Vom Mittelmeer aus hat das mit Zuckerrübe und Roter Bete verwandte Gemüse vor rund zweitausend Jahren seinen Siegeszug in den Norden angetreten.
Ludovico und Giovanni Spartano (v. l.) Trattoria Vale und Peccato © FM Rohm

Ludovico und Giovanni Spartano (v. l.) Trattoria Vale und Peccato © FM Rohm

Von der Speisekarte der Trattoria "Vale un Peccato" zwei Querstraßen vom Wochenmarkt entfernt, ist Mangold bis Spätherbst nicht wegzudenken. „Der wuchs bei uns in Agrigento auf Sizilien wild im Wald und im Garten. Großmutter kochte ihn als Suppe und Gemüse, Beilage und Hauptgang, und machte Salat davon“, berichtet Giovanni Spartano.
Im Hofgarten hinter seiner Trattoria zieht er einige Reihen des Gemüses. Die Samen schickt seine Schwester aus Sizilien. Zwei Sorten erntet er, den erdig-nussig schmeckenden Stielmangold, und den kleineren, tiefgrünen wilden Mangold. „Der ist feiner und aromatischer“, sagt Giovannis Bruder, Koch Ludovico. Im "Vale un Peccato" serviert er ihn als Basis eines Salats mit pochiertem Spargel, gebratenem Speck, Pinienkernen und einer Vinaigrette aus weißem Balsamico, Olivenöl und Pommerysenf. Mit knusprigem, hausgebackenem Brot und einem gut gekühlten sizilianischen weißen Regaleali ist das eine köstliche Vorspeise.
 

Das Marathongemüse hat Saison April bis Herbst

Nur ganz junge Blätter eignen sich für den Salat, denn die ausgewachsener Pflanzen verfügen über einen hohen Oxalsäuregehalt, weshalb Mangold roh nicht nur bitter schmeckt, sondern auch die Funktion der Nieren belasten kann. Die Bitterstoffe verringern sich beim Kochen. Abgesehen von der Oxalsäure ist Mangold ein sehr gesundes Gemüse, in dem auch seltene Vitamine wie A und E und die Proteine Natrium, Magnesium und Kalzium vorkommen. Bei den Gästen beliebt ist Ludovicos Crème aus pochiertem und pürierten Mangold, abgeschmeckt mit Wodka, etwas Sahne, Basilikum und Thymian, mit der er Schwertfisch oder Steinbutt verfeinert. Manchmal gibt es die sizilianische Spezialität Pizza Forte. Die ist mit hauchdünn geschnittenen Kartoffeln, glasierten Zwiebeln und angebratenem Stielmangold gefüllt .

Franziska Brehmer von La Mano Verde ©FM Rohm

Franziska Brehmer von La Mano Verde ©FM Rohm

Von der hat Franziska Brehmer vom veganen Restaurant "La Mano Verde" noch nie gehört. Sehr wohl schwärmt die 26-jährige Küchenchefin von Baby-Mangold im Salat. Im Verein mit Spargel, Rucola und Erdbeeren „ein toller, frischer Sommersalat“.
Höhepunkt ihrer Kreationen ist eine rohe Schicht-Lasagne aus Mangold, Kohlrabi, Zucchini, Paprika, Rucola, Tomaten und Jus von gelber Paprika mit rotem Pfeffer und schwarzem Sesam. Nicht ganz leicht zu essen, ein scharfes Messer ist sehr hilfreich, aber eine gemüsige Geschmackssensation im Mund. Begleitet wird die Mangold-Lasagne von einem Zucchini-Röllchen, gefüllt mit Basilikum-Cashew-Crème.
Als gekochte Version schwört die gebürtige Potsdamerin auf Mangold-Gratin. Dafür schneidet sie die Mangold-Stiele und Blätter in mundgerechte Stücke und schmort sie kurz in Rapsöl. Anschließend kühlt das Gemüse ab. Dann wird die Flüssigkeit wird zum Teil abgegossen, eine Kelle kommt in die Béchamel-Sauce, die mit Mehl, Rapsöl und Sojasahne hergestellt wird. Zum Überbacken nimmt Franziska Brehmer Hefeflocken. Und schon fällt ihr das nächste Rezept ein: mit geräuchertem Tofu gefüllte Mangold-Rouladen.
Das ginge auch mit Hackfleisch und könnte vielleicht sogar Gemüsehändler Loest verführen, ein Mangold-Gericht zu probieren.

Gemüsehandel Loest, Charlottenbrunner Straße, Wilmersdorf, Mo + Do 9-14 Uhr, Eberbacher Straße, Wilmersdorf, Di + Fr 8-13 Uhr, Hohenzollerndamm, Wilmersdorf, Mi-Sbd 8-13 Uhr

La Mano Verde, Kempinski Plaza, Uhlandstraße 181-183, Charlottenburg, Tel. 82 70 31 20, Di.- Sbd. 12-23 Uhr, www.lamanoverde.com

Vale un Peccato, Aßmannshauser Straße 15, Wilmersdorf, täglich ab 17 Uhr, Tel. 82 70 52 75,  www.vale-un-peccato.de

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