10:40
Das von Bernhard Sehring entworfene Theater des Westens aus dem Jahr 1896 zählt zu den architektonischen Schätzen der Stadt. Nach dem II. Weltkrieg feierten hier Weltstars wie Marlene Dietrich oder Maria Callas Kitt große Erfolge.
Das Erfolgsmusical „Ich war noch niemals in New York“ haben seit der Uraufführung 2007 in Hamburg vier Millionen Menschen gesehen. Zu den zwanzig bekanntesten Schlagern des im vergangenen Dezember verstorbenen Stars Udo Jürgens entwickelt sich die rasante Familiengeschichte eines älteren Paares, das aus dem Altenheim flieht und mit dem Schiff nach New York aufbricht, um sich einen Lebenstraum zu erfüllen: Hochzeit unter der Freiheitsstatue.
11:20
An der Pforte am hinteren Ende des Prachtbaus geht es architektonisch eher nüchtern zu. Neben einem kleinen Empfangsbereich begrüßt Habib Thomas die ersten der rund einhundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses. Die müssen sich in einer Liste neben der Pforte ein- und austragen. „Ein, zwei Wochen nach Spielbeginn kenne ich alle Gesichter und Namen“, sagt Thomas.
12:10
Auf der anderen Seite des Hauses, im eleganten Foyer verkauft Jens Simon Eintrittskarten. Rund 1.500 Zuschauer fassen das Parkett und die Ränge des Stage Theater des Westens pro Vorstellung. Sechs Tage die Woche wird gespielt, Montag bleibt das Haus geschlossen. Rund die Hälfte der Karten werden im Vorverkauf abgegeben. „Bei dem aktuellen Musical kommen viele ältere Zuschauer. Die kaufen ihre Karten lieber persönlich“, erklärt Simon.
13:20
Im Spiegelsaal, dem zehn Meter hohen, atemberaubend schön mit bleiverglasten Fenstern dekoriert und mit drei riesigen Kronleuchtern ausgestatteten Prunksaal, prüft
14:40
Während auf der Hauptbühne die Proben beginnen, sorgt Bühnenmeister Roland Lahn seit dreißig Jahren dafür, dass für die teils rasend schnellen Umbauten alle nötigen Requisiten an der richtigen Stelle sind. In seinem Bereich sind gerade dutzende blau-weiß gestreifte Liegestühle für die Szenen auf Deck gestapelt, und das Rettungsboot, in dem sich das ältere Paar auf dem Schiff versteckt. Auch künstliches Essen und eine Reling stehen bereit. „Bei uns kommt es auf absolut genaues Timing an“, sagt der schwarz-gekleidete Lahn, der ständig per Head-Set mit seinem Team verbunden ist.
15:40
Auf der Hauptbühne probt Markus Brühl, Künstlerischer Leiter des Theaters, verschiedene Szenen mit der neuen Besetzung der Hauptrolle der heiratswilligen Maria Wartberg. Sie wird vom 31. Mai bis zum 12. Juli im Wechsel von Deutschlands berühmtesten Zwillingen besetzt: Alice und Ellen Kessler. Eine Pianistin begleitet die Probe, zur Vorstellung am Abend spielt ein zehnköpfiges Orchester. Geprobt wird eine Szene, in der das ältere Paar aufgrund einer Verwechslung vom Kapitän des Schiffes in die Hochzeits-Suite des Schiffes gebracht wird. Bei der Besprechung der Szene wünscht sich Markus Brühl „mehr Bewunderung für die Honeymoon-Suite“.16:50
Kurzbesuch bei Thimo Butzmann, dem Archivar des Stage Theater des Westens. Hoch über der Stadt, unter dem Dach des Theaters hat er in einer kleinen Kammer, wahrscheinlich eine ehemalige Garderobe, sein Reich. Hier archiviert Butzmann in schwarzen Kartons alles Material von 168 Produktionen seit 1978. Damals stand „Cabaret“ auf dem Spielplan, mit Horst Buchholz und Jutta Boll in den Hauptrollen. „In den letzten Jahren kommt immer mehr Merchandising in die Kartons“, sagt Butzmann. Bei „Ich war noch niemals in New York“ kann man CDs, DVDs, Schlüsselbunde und Kühlschrankmagnete kaufen.
17:20
Vor dem großen Spiegel auf der Probebühne im 2. Stock übt
für die Rolle des Enkelkindes Florian. Insgesamt neun Jungen zwischen 9 und 13 Jahren spielen diese Rolle in dem Stück. „Da es noch Kinder sind, gibt es strenge Arbeitsrichtlinien“, erklärt die studierte Theaterpädagogin. Deshalb müssen so viele Jungen für nur eine Rolle ausgebildet werden. Weiter geht es vor dem Spiegel mit dem Proben einer Jubelpose und Luftgitarre-Spielen.18:20
Entschieden hätten sie sich für das Engagement „wegen der tollen Musik von Udo Jürgens, der Rolle – und wegen Berlin“. Sie fanden es spannend, abwechselnd ein und dieselbe Person zu spielen. „In der ersten Woche wechseln wir jeden Tag, danach spielen wir im Wochenrhythmus“, erklärt Alice.
Die Schwestern schätzen die Stadt, in der sie seit mehr als fünfzig Jahren immer wieder auftreten. „Hier ist immer was los“ sagt Alice, „und es gibt tolles asiatisches Essen“, meint Ellen Kessler.
19:05
Das Foyer und der Spiegelsaal füllen sich mit Zuschauern. An der Bar werden erste Piccolos geordert, die Einlasser öffnen die Türen zum Saal und das Orchester macht sich bereit. Dreimal wird gegongt. Wenn alle Zuschauer Platz genommen haben, werden die Türen geschlossen.
19:30
Vorstellungsbeginn. Mit der Ouvertüre beginnt die etwa zweieinhalbstündige Show. Ganz hinten im Parkett thront Tontechniker Dirk Müller mit seinem Equipment. Neben dem Mischpult leuchten mehrere Computerbildschirme. 96 Tonspuren sind belegt. Alle Schauspielerinnen und Schauspieler sind mit einem Funkmikrofon verkabelt. „Wir tarieren bei den Proben unsere Ton-Einstellungen ganz genau und geben die dann in den Computer ein. So erhalten wir bei jeder Vorstellung eine gleichbleibende Qualität“, erklärt der 35-Jährige.
21:10
Pause. Eine halbe Stunde Zeit hat das Barpersonal Zeit, die Zuschauer zu bedienen. Die stehen in langen Schlangen an, und sind froh, dass es so professionell und schnell zugeht.
22:50
Ende der Vorstellung. Nach langem Applaus leert sich der mit roten, samtbezogenen Sitzen ausgestattete Saal erstaunlich schnell. An den Garderoben herrscht nur kurz Andrang, dann wird es ruhig im Haus. Wenn alle Gäste das Stage Theater des Westens verlassen haben, schließt das Vorderhauspersonal die Türen ab.
Ab 14. Juli spielen wieder Dagmar Biener und Gisela Kraft die Hauptrolle der älteren Dame, bis zum 27. September.