Gut behütet durch den Sommer

In Angelika Lochners Schöneberger Hutgeschäft finden Liebhaber von modischen Kopfbedeckungen eine riesige Auswahl

Angelika Lochner, Panama Hutgalerie, Berlin © FM Rohm

Angelika Lochner, Panama Hutgalerie, Berlin © FM Rohm

„Wir suchen eigentlich eine Kappe“, sagen die jungen Männer, die auf der Schöneberger Szenestraße das Hutgeschäft von Angelika Lochner betreten. Eine Viertelstunde später posiert einer der beiden mit einem schmalkrempigen Trilby-Hut wie ihn Justin Timberlake trug vor den diversen Spiegeln des Geschäfts. „Steht Ihnen“, meint die Hutverkäuferin. „Ich sehe ganz anders aus“, staunt der junge Neukunde. „Hüte machen machen eben Leute“, gibt die 49-Jährige zurück.
Auf ihrem Kopf trägt sie einen als runden Pork-Pie umgemodelten Borsalino im Fedora-Stil. Angelika Lochner stammt aus dem Allgäu und wuchs nicht weit entfernt von den großen Hutproduzenten-Orten auf. „Schon als Kinder und Jugendliche haben wir immer Hüte oder Kappen getragen“ erinnert sie sich an ihre Kindheit mit ihrem Bruder. Mit dem kam sie vor zwanzig Jahren nach Berlin, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.
Angelika Lochner, Panama Hutgalerie, Berlin © FM Rohm

Angelika Lochner, Panama Hutgalerie, Berlin © FM Rohm

Dazu musste auch der Unterhalt verdient werden. „Damals waren Kappen von Kangool bei jungen Leuten total angesagt“, erzählt sie. Einige Jahre lebten sie vom Verkauf dieser edlen Kappen auf Berliner Märkten. Dann ebbte diese Modewelle ab und die Geschwister überlegten sich, etwas mit Hüten zu machen. Dazu fuhren sie zuerst in die alte Heimat, zu den wenigen deutschen Hutproduzenten, die überlebt hatte, zu Mayser und Faustmann im Allgäu.. „Die waren sofort begeistert davon, dass Jüngere sich wieder für die aus der Mode gekommenen Kopfbedeckungen interessierten.“

Wer zieht vor wem den Hut?
 

Hüte kamen in Mitteleuropa ab dem 10. Jahrhundert vor, besonders Adel und Klerus nutzte sie, um ihren Stand modisch hervorzuheben. Damals war klar festgelegt, wer vor wem den Hut zu ziehen hatte. Die Hochzeit der Hüte begann im Zuge der Demokratisierung der Gesellschaften ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Modebewusste Damen trugen mit einer Schleife gebundene Schutenhüte, häufig aus Stroh oder Stoff. Die Herren bevorzugten Modelle aus Filz mit breiter Krempe. Angelika Lochner hätte gerne in den Wilden Zwanzigern des vorigen Jahrhunderts gelebt, als die Frauen sich mit rasanten Hutformen emanzipierten.

Angelika Lochner, Panama Hutgalerie, Berlin © FM Rohm

Angelika Lochner, Panama Hutgalerie, Berlin © FM Rohm

Einige dieser auffälligen Modelle präsentiert sie in ihrem Verkaufsraum. Teilweise stammen sie von der Nobelfirma Marzi aus Florenz, teilweise sind es Einzelmodelle. Inzwischen verkauft Angelika Lochner unikate Modelle von drei Berliner Modistinnen. Die luftigen Gebilde aus unterschiedlichen Materialien von Baumwolle über Stroh bis Papier bewegen sich preislich in der Regel zwischen 90 und 170 Euro. Ein altrosafarbener Traum aus Chiffon und Spitze zum Brautkleid kann auch 300 Euro kosten. Preisgünstiger sind wagenradgroße, Flapper genannte Modelle aus Stroh ab einem Zehntel des Preises. Ein Hingucker sind die kleinen „Mon Bibi“-Hütchen, die an die Frisuren angesteckt werden. Das genau Gegenteil sind die großen Audrey-Hepburn-Modelle in anthrazit mit weißem Rand. „Ich würde mir wünschen, dass sich Frauen wieder selbstbewusster den vielen schönen Damenhüten zuwenden, um ihr Outfit stilgerecht abzurunden“, erklärt Angelika Lochner.
Männer würden meistens eine Kappe als Kopfbedeckung bevorzugen. „Spätestens wenn sich die Haare lichten kommt der Moment, sich über Schutz fürs Haupt Gedanken zu machen.“ Neben zahlreichen Mützen- und Kappenmodellen verkauft die Panama Hutgalerie für Herren auch die Klassiker: breitkrempige Fedora-Hüte mit dreieckigem Eingriff, Melonen, Trilbys  und die runden Pork-Pies. Sogar Homburger, wie Altkanzler Adenauer sie trug, und Zylinder in verschiedenen Ausführungen sind zu Preisen zwischen 35 und 160 Euro im Angebot.
Außer den bekannten Namen wie Borsalino, Stetson und Mayser, deren Hüte ab 200 Euro kosten, hat sie auch Modelle von Feine Hüte im Programm. Die lässt ihr Bruder nach eigenen Entwürfen in Polen und Italien fertigen. Teilweise werden dafür ungewöhnliche Materialien wie alte, gereinigte Kaffeesäcke verwendet.
Angelika Lochner, Panama Hutgalerie, Berlin © FM Rohm

Angelika Lochner, Panama Hutgalerie, Berlin © FM Rohm

Zur Sommerzeit setzt Angelika Lochner auf leichte Kopfbedeckungen aus unterschiedlichsten Materialien, wie Weizenstroh, Seegras, Raffia, Hanf, Papier, Leinen, Baumwolle, Viskose und Seide. „Die preiswertesten sind aus Weizenstroh“, erklärt sie. Wer aber einen weichen, anschmiegsamen Panama-Hut, aus feinstem ecuadorianischem Toquillastroh tragen möchte, muss mindestens 129 Euro auf die Theke legen.
Das Besondere an den Modellen in der Panama Hutgalerie Schöneberg ist, dass die Chefin jedes Jahr Frühjahr und Herbst ihre Leidenschaft für Kopfbedeckungen voll ausleben kann. „Ich wähle bei den Herstellern vor Ort Material- und Modellkombinationen selbst aus“, erklärt Angelika Lochner.

Panama Hutgalerie Schöneberg, Goltzstraße 38, Schöneberg, Tel. 20 05 18 29, Mo-Fr 11-19, Sbd 11-18 Uhr, www.panamahutgalerie.de

 

 

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