Dreißig Jahre nach der ersten Tex-Mex-Welle hat sich die Spreu von der Weizentortilla getrennt. Eine Bestandsaufnahme
Anfang der 1990er Jahre begrub die Tex-Mex-Welle die Grundfesten unserer beliebten Nachbarschaftsgastronomie: Griechen oder Pizzerien reinkarnierten an vielen Ecken der Stadt im Speedy-Gonzalez-Outfitin grellen Farben. Plötzlich gehörte das spanisch bestellte Essen, perfekt mit rollendem r, ebenso zum Ausdruck angesagter Lebensfreude wie die Kunst, hellgelbes, leicht schales Bier an einem im Flaschenhals steckenden Limettensechzehntel vorbei in den Mund laufen zu lassen.
Bis heute reicht die Einrichtung der mittlerweile auf die 100 zustrebenden Lokale mehrheitlich von orange überpinseltem Altberliner Schlemmerstuben-Interieur bis zu Andalusien-Möbel mit handgefertigten Verzierungen, an den Wänden fast gerne kitschig-gemalte Kakteen oder Wüstenlandschaften. Ein gewaltiger Sombrero gehört ebenfalls zur Grundausstattung.
Alcatraz
Mittlerweile hat sich eine zweite und dritte Generation etabliert, mit teilweise authentischerer Küche, und dezenterem Interieur. Begonnen hatte der Tex-Mex-Rummel 1993, als am ehrwürdigen Marheineckeplatz in Kreuzberg ein Lokal mit dem verräterischen Namen „Tres Kilos“ antrat. Im selben Jahr eröffnete Ceyhan Oezbek das Tex-Mex Lokal „Alcatraz“ in Charlottenburg, zwei Jahre später folgte das „Alcatraz II“ am Bundesplatz in Wilmersdorf., von 1997 bis 2007 gab es das „Alcatraz III“ an der Neuen Schönhauser in Mitte. Das Restaurant am Bundesplatz hat als einziges überlebt. Nach fast dreißig Jahren Erfahrung konstatiert der 63-jährige Oezbeck. „Wenn man sich nicht verbessert, funktioniert es nicht“. Die Corona-Krise nutzte er zur Sanierung des 140-Sitzplätze-Lokals, mit großer Außenterrasse. Nun bestimmen abgeschliffenes Eichenparkett, aufgefrischte Malereien der Mayaruinen von Bonampak und in dezentem Braun übermalte Mayastelen das Ambiente. Der von Beginn an als Küchenchef arbeitende Javier Oyanedel hat TK-Ware und Covinience-Food aus der Küche verbannt „Casa de Fajitas“ lautet das neue Konzept. Hochpreisigstes Gericht ist Fajita de Carne. Für 26 Euro kommt eine zischend-dampfende Pfanne mit einer üppigen Portion gebratenen argentinischen Rinderhüftsteak zu Tisch. Umgeben von Pico de Gallo, einem angeschärften Tomaten-, Zwiebel-, Koriander-Salat, Sauerrahm, Guacamole, pürirerter Avocado, feuriger Salsa Mejicana und einer hausgemachten Chipotle-Soße, geräucherte Jalapeño-Chilis, löffelt man Fleisch und Soßen auf Maismehltortillas und dreht sie zu köstlichen Fajita-Tacos. Daneben stehen Bowls, Burger und Burritos zur Auswahl, 16 bis 19 Euro, natürlich auch vegetarische Varianten. Beliebt sind Cocktails mit Tequila wie Margeritam aber auch Rumcocktails und Agavenbrand.
Taqueria Ta’Cabrón
Weniger edel, dafür einen Ticken authentischer mexikanisch, geht es in der schlicht eingerichteten „Taqueria Ta’ cabrón“, zu Deutsch etwa Taqueria Du Drecksack, in Kreuzberg zu. Seit 2008 verantwortet Angel Aceves aus der mexikanischen Stadt Guadalajara die Speisekarte. Geboten werden neben Knabbereien wie Nachos mit ausgezeichneten Salsas auch Suppen, Weizen-Fladen-Quesadillas in einem Dutzend Variationen, mit Fleisch, vegetarisch und vegan mit Kakteenfleisch (8,50-10,50 Euro), Tostadas, gebackene Tortillas, Burritos, gefüllte Wraps aus großen Tortillas und Tacos, belegte Weizen- oder Maistortillas. Die Speisen müssen am Tresen bestellt und abgeholt werden, Kartenzahlung ist nicht möglich. Die Terrasse an der Hochbahn ist eher etwas für Menschen, die lärmaffin sind, oder ihre Hörgeräte beim Essen ausschalten können. Besonderheit des Lokals sind Enmoladas. Drei Tortillas ummanteln entweder Hühnchenfleisch oder Kartoffelstückchen. Der Knaller ist die Mole-Poblano-Soße: dafür werden verschiedene Chilis, Anis, schwarzer Pfeffer, Knoblauch, grüne Tomaten, Mandeln, Rosinen und Schokolade zu einer dicken Soße eingekocht. Als Beilage fungieren Frijoles, pürierte Kidneybohnen, 13,20 Euro. Ebenfalls sehr selten in Berlin anzutreffen sind Tamales, verschiedene Füllungen in Maisteig, im Maisblatt gedämpft. Samstags bietet Chef Aceves zusätzlich Gerichte mit ausgefallenen Soßen an, sonntags unterschiedliche regionale Fleisch-Spezialitäten Mexikos.
Taqueria el Oso
In der Markthalle Pfefferberg an der Schönhauser Allee ist die „Taqueria el Oso“ Anziehungspunkt für Taco-Liebhaber. Michael Heiden und Jesus García Vasquéz aus Mexiko-Stadt haben mit einem weiteren Partner den wohl besten Taco-Laden der Stadt etabliert. Die Grundlage, kleine Maismehlfladen, werden mit mexikanischem Mais nach Originalrezept in Kreuzberg gefertigt. Die Besonderheit der Fleischbeilage des in Berlin einzigartigen „Taco al Pastor“, besteht in vom Drehspieß geschnittenem Schweinefleisch, 9 Euro. Das wird dadurch wie beim Döner schön kross heruntergeschnitten. Dazu können Gäste unter einem halben Dutzend hausgemachter Soßen wählen, von fruchtig-rauchig bis höllenscharf. Außer mit Schweine- sind eine Variante mit Rindfleisch und eine vegetarische, mit Streifen der Nopal-Kaktee, im Angebot, drei Stück für 9,50 Euro.
Dolores
Alles so schön bunt im California-Mex-Lokal „Dolores“ am Wittenbergplatz. Hier steht das Erlebnis mit viel fetziger Salsa-Musik im Zentrum. Zur Essens-Auswahl stehen Burritos, Quesadillas, Tacos und Bowls im Baukastensystem. Neben dem Grundstoff können zahlreiche Extras gegen Aufpreis geordert werden. Die Preise liegen zwischen 7,40 und 9,90 Euro. Ein beliebter Stopp für junges Publikum.
Amigo Cohen
In dem vor einem Jahr am Hauptbahnhof eröffneten Restaurant „Amigo Cohen“ ist der Name Programm. Die Küche von Chef Shimon Peretz verbindet mexikanische Aromen und Produkte mit israelischen Zutaten und Zubereitungsformen. „Meine beiden Großmütter stammen aus Marokko und Indien und haben viele Gerichte mit langen Garzeiten zubereitet“, erklärt der 29-Jährige. „Ich habe festgestellt, das ist bei mexikanischen Fleischgerichten sehr ähnlich. Noch ähnlicher sind Zutaten, Kräuter und Gewürze wie Bohnen, Koriander, Chili, Knoblauch“, so Peretz. In dem elegant möblierten 90-Sitzplätze-Restaurant serviert er ein leichtes Chili con Carne mit Rote-Bete-gefärbten Nachos, Avocado, Koriander begleitet von einer milden Sesam-Tahina, 14 Euro. Das Fleisch der handbreiten Spareribs zergeht dank dreitätiger Sous-vide-Garzeit auf der Zunge. Dazu werden gegrillte Maisviertel und ausgefallene Soßen wie Chipotle-Tahina und angeschärfte Abundo-Soße aus Zwiebeln, Chili und Nüssen gereicht, 30 Euro. Am Wochenende steigt regelmäßig nach dem Essen eine Fiesta. Chefkoch Peretz gilt als Feierbiest.
Alcatraz
Bundesplatz 6, Wilmersdorf, Tel. 853 46 45, Mo.-Do. 16-22, Fr.+Sbd.16-24, So. 13-21 Uhr, www.alcatrazberlin.de
Amigo Cohen
Invalidenstraße 53, im Hotel Amano, Tel. 0152-32 18 09 07, Di.-Sbd. ab 18 Uhr, www.amanogroup.com
Dolores
Bayreuther Straße 36, Schöneberg, Tel. 41 70 98 32, tägl. 11.30-21 Uhr, Filiale Rosa-Luxemburg-Straße 7, Mitte, www.dolores-berlin.de
Taueria Ta cabron
Skalitzer 60, Kreuzberg, tägl. 13-23 Uhr, kein Telefon, keine Kartenzahlung, keine Bedienung, über Instagramm
Taqueria el Oso
Schönhauser Allee 176 C, Pfefferberg Prenzlauer Berg, Di.-Do.+So. 12-22, Fr.+Sbd. 12-23 Uhr kein Tel., www.elosoberlin.de
Mexikanische
Lebensmittel
Chili & Paprika, Danziger Str. 118, Prenzlauer
Berg, Di-Fr
12:30-18:30 Uhr, Sa 12-17:30 Uhr, Tel. 015229668241,
www.chiliundpaprika.de
Mexikanische Lebensmittel im Internet: Doña Pelos, www.donapelos.de
Mexican Street Food Festival Antojitos, Arena Market, Eichenstraße 4a, . 15. und 16. Juni, Beginn jeweils 13 Uhr. Mehr als 15 Streetfood-Stände Straßentheater, Live-Bands. Eintritt 10, erm. 5 Euro. www.vivamexiko.com