Bislang spielen die gesunden Hülsenfrüchte in der Berliner Gastronomie eher eine Gastrolle. Doch nicht überall
Anfang April trafen sich in der Kreuzberger Markthalle Neun auf Einladung der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin Brandenburg Landwirte, Wissenschaftler und Hersteller von Hülsenfrüchten-Produkten zu einer schmackhaften Informationsveranstaltung zum Thema Hülsenfrüchte.
Die auch Körnerleguminosen genannten Ackerfrüchte zählen aufgrund ihrer gesunden Inhaltstoffe ernährungsphysiologisch zu den besten Lebensmitteln. Zwar haben sich die Anbauflächen in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Aber noch immer verdrängen Getreide, Mais und Kartoffeln vor allem aus wirtschaftlichen Gründen die traditionellen Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen weitestgehend von den Feldern.
Ausnahmen wie Bernhardt von der Marwitz aus Friedersdorf im Oder-Spreekreis bestätigen die Regel. Der Landwirt versucht sich seit einiger Zeit mit dem Anbau von Bio-Kichererbsen. „Unser Hauptproblem bei der Vermarktung ist der niedrige Preis von Produzenten in Schwellen- und Dritte-Welt-Ländern“, erklärt von der Marwitz seine Schwierigkeiten, Abnehmer für seine Kichererbsen zu finden. Gleiches gilt für den Anbau der Brandenburger Bio-Linsen. Dabei gibt es einen interessanten Aspekt des Anbaus für Landwirte: Hülsenfrüchtepflanzen binden Stickstoff, sind durch Unterpflügen eine Art ökologischer Dünger.
Zudem sind Hülsenfrüchte wie Kichererbsen, Erbsen, Ackerbohnen, Linsen und Soja hervorragende Protein-Lieferanten. Ihr Eiweißgehalt liegt fast so hoch wie bei Fleisch. Sie beinhalten außerdem auch Mineralstoffe wie Kalium, Magnesium, Eisen und B-Vitamine. Nach Aussage von Ernährungswissenschaftlern gilt der Verzehr von 80 Gramm pro Tag als empfehlenswert. Gegessen werden allerdings durchschnittlich nur etwa 5 Gramm täglich.
In der Berliner Gastronomie finden sich Hülsenfrüchte überwiegend bei exotischen Restaurants wie dem indischen „Mr. Chai Walla“ des tamilischen Gastronomen Vinotharan Inparajah. In dem aufgrund von Personalproblemen rein-englischsprachigen Restaurant an der Kant/Ecke Schlüterstraße wird authentische südindische Küche serviert. „Das nordindische Nationalgericht Dal Bath, Reis mit Linsen, ist der Klassiker auf der Mittagskarte“, so der 45-Jährige. „Diese Kombination stellt bei der überwiegend vegetarische Kost Indiens den Eiweißbedarf großer Teile der Bevölkerung sicher“, weiß Inparajah. Sein Koch Raja Thangaraj verarbeitet Reis und schwarze Linsen zur Spezialität Dosa. Dazu werden auf einer Stahlplatte Kartoffelstücke, Erbsen und Korianderblätter zu einem cremigen Masse erhitzt, die dann in einen Linsenmehlfladen gerollt serviert wird. Für das Gericht Samosas kommt Kartoffelpüree mit Erbsen und indischen Gewürze in einen Linsenteigmantel und wird in Öl gebacken. Ein beliebter Snack des Restaurants sind frittierte, knusprige Okraschoten mit Kichererbsenpanade.
Die gelblichen Erbsen mit dem lustigen Namen zählen seit Jahrhunderten zu den Grundbestandteilen der arabisch-orientalischen Küche. Durch Hülsen geschützt wachsen die Früchte an etwa 50 Zentimeter großen Büschen und werden in der Regel getrocknet verkauft. Über Nacht eingeweicht sind sie die Basis für den insbesondere bei Jüngeren beliebten Aufstrich Hummus. Dazu werden die Kichererbsen püriert, und mit Sesampaste, Tahina genannt, Knoblauch und Kräutern gewürzt.
Aus dem Berliner Streetfood-Angebot sind seit fast 40 Jahren Falafel im Brot nicht mehr wegzudenken. Zwischen fünf und zehn Kilo Falafelteig verarbeitet Ibrahim Manduh mit seinen Kollegen im Kult-Imbiss „Habibi“ am Schöneberger Winterfeldtplatz. Der Teig aus gewolften Erbsen erhält seine grüne Farbe durch reichlich gehackte Petersilie. Auch ein Anteil pürierte Gemüsezwiebel und Knoblauch kommen in die Masse, dazu eine geheim gehaltene orientalische Gewürzmischung, Salz und Pfeffer. „Wichtig ist, dass die Falafel-Bällchen frisch in Rapsöl frittiert werden“, erklärt der Imbiss-Mitarbeiter, der seit mehr als zehn Jahren Falafel verkauft. Mit Gurke, Zwiebel und Tomate kommen sie in ein Sandwich oder als Tellergericht, verfeinert mit Sesam- oder scharfer Soße.
Im Restaurant „Kreuzberger Himmel“ bereitet Küchenchefin Layali Jaafar mit ihrem Team famose orientalische Köstlichkeiten. Die 2016 aus dem Irak geflohene Köchin hat vergangenes Jahr ein Buch mit Rezepten veröffentlicht. Rund ein Drittel der Gerichte basiert auf verschiedenen Hülsenfrüchten. Als Vorspeise serviert sie eines der feinsten Hummus’ der Stadt. „Jetzt zur warmen Jahreszeit haben wir weniger Hülsenfrucht-Gerichte auf der Karte als im Winter“, erklärt die 44-Jährige. Ein preiswertes Gericht sind Kebap Adas, kleine Spieße mit einer Masse aus roten Linsen, Paprika, Petersilie und Zwiebel, serviert mit Kartoffelsalat. Unbedingtes Muss sind vegetarische Kibbeh. In einem Mantel aus Bulgur und Paprikapaste versteckt Layali Jaafar Kichererbsen, Rosinen, Granatapfel und scharfe Paprika.
Zu den gastronomischen Hülsenfrüchte-Spezialistinnen der Stadt gehört Sophia Hoffmann vom Kreuzberger Vegan-Restaurant „Happa“. „Früher gehörten Hülsenfrüchte zum normalen Familien-Speiseplan, Erbsen und Linsen waren Beilage von deftigen Gerichten oder Grundlage für Suppe. Die gab es meistens am Wochenende. Doch spätestens seit den 1960er, 1970er Jahren galten Hülsenfrüchte als Arme-Leute-Essen. Da ist viel Wissen und Geschmack verloren gegangen“, betont die Köchin, die seit 15 Jahren rein pflanzlich arbeitet.
Während der Veranstaltung in der Markhalle Neun begeisterte sie mit zehn verschiedenen Gerichten mit Hülsenfrüchtebestandteilen, darunter Brotsalat mit frischen Erbsen und Ackerbohnensnack, Kichererbsensalat mit Tomate und buntem Mangold, famose Krautwickerl mit einer Füllung aus regionalen marmorierten Linsen, Shiitakepilzen und Walnüssen.
In ihrem veganen Restaurant „Happa“ auf der Szenemeile Schlesische Straße steht täglich ein Gericht mit Hülsenfrüchten auf der Mittagskarte, etwa Fusilli mit Linsen, „eine vegane Alternative zu Bolognese“, sagt Sophia Hoffmann. Bei ihren Dinnerabenden serviert sie den Gang Tempeh-Bouletten. Der Teig besteht aus einer Mischung von Bohnen- und Sojamasse. „Hülsenfrüchte sind ein perfekter Ersatz für Fleischgerichte“, sagt die Köchin.
Bisweilen finden sich Hülsenfrüchte auch in der Berliner Sterneküche. Stephan Garkisch vom Restaurant „Bieberbau“ arbeitet wenn möglich mit saisonalen Produkten. Eine wunderbare Vorspeise seines Mai-Menüs ist ein Salat mit grünen Erbsen, grünem Spargel und Burrata, dem Stückchen von Papaya fruchtige Süße verleihen. Pimpinelle, Feldsalat, Flieder- und Vergissmeinicht-Blüten runden das Essvergnügen ab. Als krachig-knusprige Beigabe funktioniert das papierdünne indische Pappadam. „Die frittierten Fladen mache ich aus Linsenbohnenmehl“, sagt Stephan Garkisch.
Bieberbau, Durlacher Straße 15, Tel. 853 23 90, Mo., Di., Do.+Fr. 17.30-24 Uhr, www.bierbau-berlin.de
Habibi, Goltzstraße 24, Schöneberg, Tel. 215 33 32, So.-Do. 11-3, Fr.+Sbd. 11-5 Uhr, über Facebook
Happa, Schlesische Straße 35, Kreuzberg, Tel. 75 43 89 44, Mo. 12-17, Di.-Do. 12-22, Do.+Fr. 19 Uhr Dinner mit Anmeldung, www.happa-berlin.com
Kreuzberger Himmel, Yorckstraße 89, Kreuzberg, Tel. 92142782, Di.-So. 16-23 Uhr, www.kreuzberger-himmel.de
Mr Chai Walla, Kantstraße 31, Charlottenburg, Tel. 92 21 06 55, täglich 12-24 Uhr, www.mister-chai-walla.de