Der magische Moment kam am fünften Tag, nach einem richtigen Misttag. Fünf Stunden waren Mutter, Tochter, Vater, Guide und Träger, von dem Dorf Ghundruk in Richtung Westen gelaufen, auf rund 2000 Metern Höhe. Eigentlich sollten wir seit unserer Abfahrt aus der Stadt Pokhara ein wunderbares Panorama vor Augen haben. Rechts den gespaltenen Gipfel des Machapuchare, den die meisten Backpacker Fishtail nennen, ein heiliger Berg, der nicht bestiegen werden darf. Knapp 7000 Meter hoch ist der auch „Matterhorn des Himalaya“ genannte Berg, daneben die Spitze des Annapurna South und dann der mächtige Annapurna 1 mit über 8000 Metern.
Schließlich erreichten wir in fast 2700 Metern Höhe die Lodge Trekkers Sanctuary von Tika Sebedi. Die 22-jährige Tika führt die einfache Lodge mit sechs Zimmern zusammen mit Schwester und Bruder. Mittlerweile konnte man keine fünfzig Meter weit sehen, abwechselnd schneite und regnete es. Wir waren die einzigen Gäste. Nach einer wunderbaren warmen Dusche genossen wir köstliche Momos, die traditionellen gedämpften Teigtaschen Nepals sowie Dhal Bat, Reis mit Linsensuppe. Dazu gab es Spinat, sauer eingelegtes Gemüse und Rakhi, heißen, wohltuenden Reiswein. Nach Einbruch der Dunkelheit blieb der mit Rhododendronholz befeuerte Kanonenofen noch eine Stunde in Betrieb. Tika versorgte ihren bezaubernden zweijährigen Sohn und räumte die blitzsaubere Küche auf. Dann wurde gefragt und erzählt. Wie wir in Berlin leben interessierte die junge Frau, warum die Tochter noch keinen Mann hat. Tikas Mann arbeitet wie viele Nepali in Arabien. Fünf Jahre bleibt er dort, zweimal darf er in der Zeit zurück nach Nepal. Er überweise jeden Monat 500 Dollar, ohne dieses Geld könnte sie mit der Lodge nicht überleben, wo doch die Saison nicht länger als fünf Monate dauert und immer mehr Touristen sogar ihr Essen hier hochtragen ließen. Inzwischen hatte der zweijährige Sohn meinen Schoß erklommen und wollte nicht mehr runter. Kleine Leckereien wurden gereicht, es wurde erzählt und gelacht. Die Offenheit und Gastfreundschaft der Familie berührte uns alle drei, und uns war klar, die kleine Strapaze hierherzukommen hatte sich gelohnt.
Mehr noch am nächsten Morgen, als Tika mit ihrer Schwester den Ofen anfeuerte und wir in die morgendliche Kälte traten. Alle Wolken waren wie weggeblasen. Über uns thronte der schneebepackte Gipfel des Annapurna 1, daneben erhob sich der Südgipfel und weiter rechts über den rot blühenden Rhododendren zeigte sich der heilige Machapuchare in majestätischem Blau. Wir genossen das überwältigende Spektakel des Sonnenaufgangs und ein üppiges Frühstück. Umgerechnet hatten wir kaum 10 Euro für Essen, Trinken und Duschen bezahlt. Anschließend ging es bei herrlichem Wetter nach Deurali in knapp 3000 Metern Höhe. Dreißig Zentimeter Neuschnee waren gefallen. Das habe er Ende März noch nie erlebt, versicherte Lakpa Sherpa. Viele Trekker hatten wie er das falsche Schuhwerk an. Einige Träger schnürten sich Kordel um die Schuhe, andere zogen Socken über ihre Turnschuhe, um etwas Grip auf den vereisten Wegen zu haben. Mittags zogen erneut Wolken und Regen auf.
Der „Pun Hill-Trek“ zählt zu den am meisten frequentierten Wegen im Himalaya. Er ist technisch nicht schwierig, zwischen 2000 und 3000 Meter hoch, und bietet als Höhepunkt den Aussichtspunkt„Pun Hill“, auch Poon Hill genannt. Vom Gipfel, auf etwa 3200 Meter Höhe, hat man eine atemberaubende Sicht auf Machapuchare, Annapurna und den ebenfalls mehr als 8000 Meter hohen Dhaulagiri.
Die Himalaya-Familienreise sollte für uns Mitt- und Endfünfziger und unsere 19-jährige Tochter ein besonderes Erlebnis werden. Wir waren unsicher, wie die Lage nach dem verheerenden Erdbeben vor zwei Jahren ist. Die Hauptstadt Kathmandu, unser Ausgangspunkt, war nicht so heftig getroffen und befindet sich im Aufbau – noch immer erschreckend arm, staubig und dreckig. Nach zwei Tagen flogen wir nach Pokhara, an den Phewa See mit sauberer Luft und traumhaften Blick auf die Berge.
Was uns am ersten Tag des Treks am meisten schockierte war der Müll, den viele Wanderer überall zurück ließen. Einen Tag sammelte die Tochter Plastikflaschen, Süßkram und Verpackungen. Doch nachdem der Müllsack zu dreiviertel voll war, gab sie auf.
es zu regnen begann und schließlich schneite. Fortan wärmten Lakpa und die Träger in jeder Lodge ihre kalten, nassen Füße am Ofen und versuchten, die Schuhe bis zum nächsten Morgen zu trocknen.
Ab dem sechsten Tag, nachdem wir die “Trekkers Santuary” in Bantanti Hill verließen, waren uns die Wettergötter hold. Jeden Morgen ein blanker Himmel und herrliche Sicht auf die Berge. Noch zwei Tage sollte es so bleiben, war die Hoffnung. Dann sollte es von Ghorepani aus den Pun Hill hoch gehen, mit dem spektakulärsten Blick auf Dhaulagiri, Annapurna und Machapuchare. Das Bergdorf Ghorepani ist ein Trekker-Hot-Spot mit mehrstöckigen Hotels, WLAN-Empfang und German Bakery inklusive. Die Stimmung war angespannt, dutzende Trekker die uns entgegen kamen beklagten bewölkten Himmel ohne Bergblick am Vortag. Nachdem der Ofen im Hotel ausgegangen war, machte sich eisige Kälte breit, an den Waschstellen fror das Wasser. Erfahrene Bergwanderer nahmen ihre Kleidung mit in den Schlafsack.
Am nächsten Morgen rumorte es ab vier Uhr auf allen Etagen des Hotels. „Es wird kalt oben“, meinte Lakpa und empfahl, lange Unterhosen und mehrere T-Shirts übereinander zu ziehen. Vor dem Hotel reihten wir uns, ausgerüstet mit Stirnlampen, ein in die stumme Prozession hinauf zum Gipfel des Pun Hill. Der Aussichtspunkt ist mittlerweile so beliebt, dass 50 Rupien (etwa 50 Cent) Eintritt genommen werden.
Was für ein Glück: Klarer Himmel und eine spektakuläre Sicht. Etwa 800 Trekker hatten sich am Aussichtsturm versammelt. Kameras, Videokameras und Handys im Wert von sicher über einer Million Euro lösten im Sekundentakt aus. An einer Holzbude gab es Tee und Kaffee in Blechbechern. Es war bitterkalt , fünf Grad unter null, dazu wehte ein kräftiger Wind. Als die Sonne die ersten Gipfel erleuchtete, brandete Beifall auf. Nach einer halben Stunde froren die ersten Kameras ein. Egal – die wir umarmten uns und wussten, diesen Moment würden wir nie vergessen.
Weitere Informationen:
Beste Reisezeit März bis Mai, Oktober und November
Veranstalter: Enjoy Nepal, Zehn-Tage-Tour ab 899 Euro pro Person, inklusive Guide, Träger, Übernachtungen, Mahlzeiten, Transporte und Trekkingpermit,Kosten drei Wochen Reise ohne Flug inkl. Trek,alle Transfers, Hotels in Kathmandu und Pokhara rund 1.200 Euro im Doppelzimmer, www.enjoy-nepal.de
Trekker Scantuary, Bantanti Hill, Tel. 00997/984132914, E-Mail: Trekkerpaudyal@yahoo.com,
Hotel in Kathmandu: International Guest House, Kaldhara Street, Tel.00977/1/4252299, Thamel-Viertel in der Altstadt, sauber, ruhig, großer Garten, ab 30 Euro Doppelzimmer mit Frühstück, www.ighouse.com
Hotel in Pokhara: Lake View Resort, Lake Road, Tel. 00977/61/461477, Doppelzimmer ab 40 Euro, mit Frühstück für zwei Personen. Vom Dach des Hotels hat man einen tollen Blick auf die Berge, www.lakeviewpokhara.com
Restaurants in Pokhara
Caffe Concerto, Lake Road, Tel. 00977/61/463529, sehr gute Pasta und Holzofenpizza,
Or2K. Baidam Road, Schöne Terrasse mit Seeblick, gute Falafel, Humus, Fusionsküche. Tel. 00977/61-467114
Anforderungen: Diese verhältnismäßig einfach Trekkingtour kann von jedem geübten Bergwanderer, der über eine gute Kondition und eine gute körperliche Konstitution verfügt, begangen werden. Tägliche Gehzeiten von bis zu sechs Stunden mit Höhenunterschieden von bis zu 1100 Metern müssen einkalkuliert werden. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind erforderlich. Auf dem Trek findet man in der Regel alle drei bis fünf Wegstunden Dörfer mit Lodges zum Übernachten.
Die Reise wurde unterstützt von Enjoy Nepal