Heiligengrabe: Magischer Ort der Abgeschiedenheit

Klostergarten und Fasssade der Kapelle zum Heiligen Grabe.

Das vor mehr als 700 Jahren gegründete Zisterzienserinnen-Kloster Heiligengrabe verströmt noch immer eine wundervoll Aura der Ruhe und Besinnung. Ein Besuch ist von Donnerstag bis Sonntag ratsam, es gibt nur einen Haken

Per Auto erreicht man die großflächige Gemeinde mit mehreren Ortsteilen nach Verlassen der Autobahn über die Landstraße. Ein kurzes Stück geht es durch Alleen , gesäumt von riesigen Getreidefeldern. Auf mehr als 200 Quadratkilometern dehnt sich die Gemeinde mit 14 Ortsteilen aus, das ist fast ein Viertel der Fläche Berlins. Im Gegensatz zur Hauptstadt lebt in Heiligengrabe allerdings nur ein Promille der Berliner Bevölkerung, rund 4.300 Menschen. Größter Arbeitgeber ist in der Nähe der Autobahnabfahrt das riesige Werk des Laminatherstellers Swiss Krono. 

Alternativ kommen Besucher mit der Regionalbahn nach Heiligengrabe und gehen vom etwas außerhalb des Ortes gelegenen Bahnhof etwa 20 Minuten lang zum Kloster. Die Anlage direkt an der Straße gelegen begrüßt die Gäste mit einem verwitterten, hölzernen Glockenturm. Der ursprüngliche Turm auf der Klosterkirche hatte dem Gewicht der Glocken nicht standgehalten. Schlicht mit hell gekalkten Wänden präsentiert sich die Kirche im Inneren mit Zugängen auf den Vorplatz, zum Friedhof und den mittelalterlichen Kreuzgang.

Kreuzgang Kloster Heiligengrabe.

Gegründet wurde das Zisterzienserinnen-Kloster vor 735 Jahren und bestimmt seither als religiöses Zentrum das Leben des Ortes. Es war 1287 der askanische Markgraf Otto IV., der das Kloster mit Unterstützung des Havelberger Bischofs im damals noch Techow genannten Ort gründete. Über sieben Jahrhunderte erhielten die Nonnen, viele aus Familien des Brandenburger Landadels, ab der Reformation Stiftsfrauen genannt, und die Bewohner der umliegenden Dörfer die weitläufige Anlage. Das einzigartige Ensemble überstand die Kriege, Feuerbrünste, die Auseinandersetzungen der Reformationszeit und die Konflikte vom Mittelalter bis heute.

Verwunschene Wege durch Klostergarten und barocken Fachwerkwohngebäude

Karin von Lewinski.

„Für mich ist es ein magischer Ort, der Ruhe und Frieden ausstrahlt“, sagt Karin von Lewinski. Zusammen mit drei weiteren Damen führt sie Besucherinnen und Besucher durch die Klosteranlage. Seit fünf Jahren lebt die 87-Jährige in einer kleinen Wohnung am sogenannten Damenplatz in einem gut erhaltenen, zweistöckigen barocken Fachwerkgebäude neben dem Kloster. Allein die wunderschönen kleinen Vorgärten mit einer Vielzahl von Stauden und blühenden Pflanzen sind einen Besuch wert. Ebenso ein Gang durch den Kräutergarten und zu zwei kleinen Teichen. An verschiedenen Ecken laden Bänke zum Verweilen mit Blick auf Kloster, Kirche, Kapelle und Wirtschaftsgebäuden im Fachwerkstil. 

Wenn man die besondere Aura des Ortes spürt, kann man verstehen, dass ruhesuchende Frauen im Kloster Stift zum Heiligengrabe verschiedene Möglichkeiten der inneren Einkehr suchen, um von dem Stress des Alltages abzuschalten. Für diese Menschen gibt es verschiedene Angebote von der Klausur bis zu betreuten Wohnmöglichkeiten und Seminaren. Neben Seminaren ist auch das kulturelle Programm des Klostern bemerkenswert, so finden mehrere Sommer- und Herbstkonzerte statt. Über die Region hinaus bekannt und beliebt sind die verschiedenen Kloster- und Adventsmärkte.

Gegenüber von Klosterkirche und Friedhof liegt die Kapelle zum Heiligen Grabe. Im Unterbau dominiert Feldstein, die Bögen der Fenster treffen sich in frühgotischen Spitzen, im dunklen Inneren schimmert ein Altar. Täglich findet hier das Mittagsgebet statt. Wenn Äbtissin Erika Schweizer im Kloster ist, führt sie die Andacht durch. Sie freut sich, dass Frauen wie Karin von Lewinski Gäste an vier Tagen die Woche durch die Anlage führen. 

Äbtissin Erika Schweitzer (li) und Klosterführerin Karin von Lewinski.

Ab diesem Jahr werden umfangreiche Restaurierungsarbeiten an der Heiliggrabkapelle beginnen. „Das ist nach fast 120 Jahren unbedingt nötig. Viele Risse, verblassende bzw. sich lösende Farben – der Verschleiß ist gewaltig“, so die Äbtissin Erika Schweizer in ihrem Abschiedsbrief. Im Sommer wird sie den Äbtissinenstab an eine Nachfolgerin weitergeben. Geplant ist die Restaurierung der Kapelle in drei Bauabschnitten. 
Im Boden der Kapelle führen Stufen zu einer freigelegten Grabstelle. An dieser Stelle muss zur Klostergründung 1287 ein symbolisches Scheingrab errichtet worden sein, meint die Klosterführerin, um einen Bezug zum Heiligen Grab in Jerusalem herzustellen. Mehr als 250 Jahre später wurde die judenfeindliche Legende eines Hostienfrevels erfunden. Möglicherweise um die Attraktivität des Klosters für Pilger zu erhöhen, die im 15. Jahrhundert verstärkt Richtung Wilsnack zogen. Episoden dieser antisemitischen Legende sind auf sieben historischen Fahnenbilder aus dem 16 Jahrhundert zu sehen, die lange Zeit in der Grabeskapelle ausgestellt waren. Heute werden sie restauriert und mit erklärenden Texten im Klostermuseum gezeigt Die Klosterleitung ist sich ihrer Verantwortung bewusst und thematisiert das Thema Antisemitismus früher und heute in Seminaren und Veranstaltungen. 

Museum mit moderner Bildungsvermittlung

Das mit modernsten Mitteln neu gestaltetet Museum befindet sich in einem der vier Kreuzgänge. Es verfügt über eine Audio Guide-App, mittels der die Geschichte des Klosters und die architektonischen Besonderheiten erzählt wird, unter anderem wurde das Hauptgebäude durch Schinkel-Schüler Friedrich August Stüler erweitert. Durch den herrlichen Kreuzgang mit frühgotischen Backsteinrippenbögen bewegten sich in früheren Zeiten die Zisterzienserinnen in Klausur, gelangten zu Kirche, Andachtsräumen und Speisesälen. Im Innenhof sieht man einen kleinen Turm. Den Bau veranlasste Kaiser Wilhem II. anlässlich eines Besuches in dem Kloster. Mehrere Jahrhunderte mussten die Nonnen über eine ungeschützte Treppe zwischen den Stockwerken wechseln. „Im Winter oder bei Regen sicherlich kein Vergnügen“, sagt Karin von Lewinski. 

Gern erzählt sie die Geschichte, wie die Zisterzienserinnen von Heiligengrabe im Zuge der Reformation vor Kurfürst Joachim II. zehn Jahre Unterschlupf bei dem katholischen Bischof in der nahen Wittstocker Burg suchten. Der Hohenzollern-Fürst hatte seinen Untertanen die Konvertierung zur lutherischen Kirche befohlen und wollte die Wirtschaftsgrundlage des Klosters drastisch ändern. Durch die Zahlung von 5000 Gulden und dem Übertritt zum evangelischen Glauben sicherten sich die Nonnen ihre Eigenständigkeit. Fortan unterstanden die nun Stiftsfrauen genannten Zisterzienserinnen dem Schutzes der Hohenzollern. 

Im 19. Jahrhundert folgte mit Unterstützung von Preußenkönig Friedrich-Wilhelm IV. die Errichtung einer Mädchenschule. Nach dem II. Weltkrieg übernahmen evangelischen Diakonissinnen aus Oberschlesien mit Waisenkindern und Behinderten das Kloster. Heute finden nicht nur religiös empfindende Menschen beim Besuch der weitläufigen Anlage einen Ort mit einer einzigartigen Aura. Noch stehen manche große Fachwerkgebäude leer, „vielleicht finden sich dafür Mieter“, hofft Karin von Lewinski. 

Einziges Manko des Besuchs: es gibt im Kloster keine Möglichkeit zu essen. Nur ein kleines Lokal in Heiligengrabe bietet an vier Wochentagen Speisen, die nächsten Restaurants findet man in Wittstock.

Anfahrt:

Mit dem Auto über A 24 Richtung Hamburg bis Ausfahrt Pritzwalk, B 189 in Richtung Heiligengrabe. Mit dem RE 6 Prignitz-Express ab Gesundbrunnen bisHeiligengrabe, Fahrzeit 2 Stunden.

Führungen:

Do.-So. täglich einmal um 14 Uhr. Sie können aber auch außerhalb dieser Zeiten telefonisch gebucht werden. Dazu kann Kaffee und Kuchen gebucht werden.

Übernachten und Essen:

Das Kloster Stift, Stiftgelände 1, Tel. 033962-80 80, bietet 13 Zimmer, ab 25 Euro pro Nacht, Nasszelle auf dem Gang, oder 60 Euro mit Bad/WC auf dem Zimmer, inkl. Frühstück. 

Zum Erbhof, Wittstocker Straße 11, Tel. 033962-50 903, EZ 60, DZ 84 Euro. hotel-heiligengrabe.de

Pension und Gasthof Landidyll, Wernikower Dorfstraße, Tel. 03394- 43 32 87, die Pension verfügt auch über das einzige derzeit geöffnete Restaurant, Do.-So. 11-20 Uhr, gasthaus-landidyll.de

Weitere Adressen, Privatunterkünfte unter heiligengrabe.de/kultur-freizeit/gastgeberverzeichnis

Weitere Restaurants finden sich in Wittstock/Dosse, z. B. Markt 11, Tel. 03394-40 55 1566, Di.-Sa. 11-21 Uhr, markt-11.de, Marktstübchen, Poststraße 2, Tel. 03394- 44 08 45, Mo., Di., Do.-Sbd. 17-21 Uhr, marktstübchen.de

Sehenswürdigkeiten:

Kloster Stift zum Heiligengrabe

Stiftgelände 1, Tel. 033962-8080, Do.-So. 11-17 Uhr, Sonder-Führungen sollten vorab telefonisch vereinbart werden, Informationen zu Veranstaltungen und Konzerten unter klosterstift-heiligengrabe.de

Schinkel-Kirche in Glienicke

In dem 4 Kilometer entfernten Ortsteil Glienicke steht die kleine, durch ihre achteckige Form architektonisch außergewöhnliche evangelische Gotteshaus. Besonders stolz ist die Gemeinde auf den Erbauer: keine geringerer als Karl Friedrich Schinkel hat das in den Jahren 1815 bis 1819 erbaute Kirchlein entworfen. 

Blumenthaler Aussichtsturm 
Etwa sieben Kilometer südlich von Heiligengrabe befindet sich mit 44,65 Metern einer höchsten hölzernen Aussichtstürme Deutschlands. Von der Plattform des aus Eichen- und Lärchenholz gebauten Turms hat man auf mehr als 140 Meter über normal Null einen grandiosen Blick auf die hügelige Landschaft der Prignitz. 

Veröffentlicht unter Reportagen