Vom Volkspark zum Rudolph-Wilde-Park: Im Schatten des Goldenen Hirschen

Rathaus Schöneberg © FM Rohm

Rathaus Schöneberg © FM Rohm

Unser Ausflug beginnt am Nord-Ost-Ausgang der U-Bahnstation Heidelberger Platz. Von diesem U- und S-Bahnknotenpunkt am Stadtring geht linkerhand die ruhige Barstraße ab.
Nach einem halben Kilometer erreichen wir das Viadukt der Fennbrücke. Darunter fährt die U-Bahn-Line 3. Links und rechts der Brücke sieht man auf den idyllischen kleinen Fennsee, der nach Plänen des Gemeinde-Obergärtners Richard Thieme Anfang des 20. Jahrhunderts als Regenauffangbecken angelegt wurde.
Wir halten uns links und umrunden den westlichen Teil des Fennsees. Riesige Trauerweiden, Erlen und sogar Zypressen wurzeln in dem sumpfigen Grund dieser eiszeitlichen Nebenrinne. Ein Hauch Berliner Urwald, und das gerade mal zehn Autominuten vom Kudamm entfernt. Am Ende des Sees führt der Weg auf der anderen Seite am Friedhof Wilmersdorf Richtung Osten wieder über die Fennbrücke zum anderen Ende des Sees. An der Kreuzung Blisse-/Uhlandstraße leuchtet die Fassade der Friedrich-Ebert-Schule im Mittagslicht. Zu den Schülern des Gymnasiums zählten Tatort-Kommissar Andreas Hoppe, Schauspielerin Türkiz Talay und Sportmoderator Steffen Simon.

Fußgängerbrücke über die Bundesallee © FM Rohm

Fußgängerbrücke über die Bundesallee © FM Rohm

Über die große Kreuzung tauchen wir an den Sportplätzen des 1. FC Wilmersdorf linkerhand wieder in den Park ein. Hinter der ehemaligen Dorfaue von Wilmersdorf passieren wir einen Minigolf-Platz, rechts schließen sich ein Basketballplatz und ein kleiner Spielplatz an. In diesem Teil des Parks befand sich Ende des 19. Jahrhunderts der Wilmersdorfer See mit einer Badeanstalt. Der See wurde in den Zwanziger Jahren aufgefüllt. Gleich daneben lag ein berühmter Tanzpalast.
Damals fuhren die Berliner mit der Pferdebahn aus der Stadt in den Vorort Deutsch-Wilmersdorf um sich zu amüsieren. Sehr beliebt waren auch die riesigen Biergartenlokale am östlichen Rand des Parks in Schöneberg. Die Äcker und Gärten wichen in den Gründerzeitjahren, als Berlins Bevölkerungszahl explodierte, hochherrschaftlichen Wohnhäusern. Damals verdienten hier manche Bauern mit dem Verkauf der Grundstücke soviel, dass sie Millionenbauern genannt wurden.
 

Spaß auf dem Hippiehügel

Fennsee im Winter © FM Rohm

Fennsee im Winter © FM Rohm

Amüsiert wird sich immer noch im Volkspark. Neben Kindern, die mit ihren Eltern mehrere Spielplätze bevölkern, begegnet man unzähligen Joggern. Bei gutem Wetter am Wochenende bewegen sie sich in einer Endlosschleife durch den rund drei Kilometer langen und etwa 150 Meter breiten Park. Die jugendliche Gegenbewegung der Lauffanatiker hängt bei wärmeren Temperaturen am „Hippiehügel“ gegenüber dem RIAS-Spielplatz ab. Mit Blick auf die untergehende Sonne und den aufgehenden Mond sammeln hier Generationen von Jugendlichen erste erotische Erfahrungen der Einnahme dionysischer Substanzen. Fällt der erste Schnee, gehört der Hügel den Kleinen, die binnen kürzester Zeit die weiße Kruste mit ihren Schlitten abschaben.
Bevor man den Hippiehügel erreicht, geht es aber noch über die blau-gelbe Spannbrücke für Fußgänger und Radler, die sich über die Bundesallee biegt, und die im Park verkehrsberuhigte Prinzregentenstraße.
Vom Hügel senkt sich das Terrain zu einem kleinen See am Viadukt-U-Bahnhof Rathaus Schöneberg. An der Kufsteiner Straße geht der Volkspark in den Rudolph-Wilde-Park über. Hier, in Sichtweite des Schöneberger Rathauses, wird die Park-Anlage nobel und großbürgerlich, mit Sandsteinballustraden um die Liegewiese und enormen Platanen im Halbrund. An der Säule mit dem Goldenen Hirschen trifft man ab Frühjahr auf Bocciaspieler. Hier endet der Park und es beginnt der Rückweg. Aus dem ehemaligen Radio im Amerikanischen Sektor RIAS sendet inzwischen Deutschlandradio Kultur. Gegenüber senden auf dem größten Spielplatz des Parks Kinder ihr fröhliches Geschrei in die Lüfte. An einer kleinen Schrebergartenkolonie führt der Weg im Halbrund zurück zur Fußgängerbrücke.
Volkspark Wilmersdorf © FM Rohm

Volkspark Wilmersdorf © FM Rohm

Im Frühjahr und Sommer lohnt auf der anderen Seite der Bundesallee die Traverse an die Südflanke des Parks. Vor einem steinernen Unterstellplatz legen die Gärtner wunderschöne Beete mit üppig blühenden Exoten an. Vorbei an den Sportplätzen führt der Weg nun wieder über die Kreuzung an der Blissestraße zurück zum Fennsee und zur Barstraße Richtung Heidelberger Platz.
 

Süßes für fünf Cent und Abenteuerspielplätze

Seit 14 Jahren betreibt

Murat Ezircan Kiosk "Park Picknick" © FM Rohm

Murat Ezircan Kiosk "Park Picknick" © FM Rohm

Er verkauft Currywurst und Pommes, Kaffee und Softdrinks, und die Attraktion von 5-Cent-Süßigkeiten für Kinder. Im Winter hat der Kiosk Sonntag bis Freitag von 10-17 Uhr geöffnet, im Sommer täglich bis Sonnenuntergang.

Wem der Sinn nach gesunder Bistroküche und ausgezeichnetem Cappuccino steht, der geht in das "Café Pusteblume". Die Mittagskarte mit preiswerten Gerichten ist ebenso beliebt wie mediterrane und asiatische Speisen, Kuchen und Eis. Durlacher Straße 2, am RIAS, Tel. 85 73 03 08, täglich ab 10 Uhr, www.parkcafe-pusteblume.de

Das Rathaus Schöneberg war zu Mauerzeit der Regierungssitz von West-Berlin. 1949 bis 1993 tagte hier das Abgeordnetenhaus, bis 1991 residierten die Regierenden Bürgermeister. Auf dem Platz davor hielt John F. Kennedy im Juni 1963 seine weltberühmte Rede, vier Jahre später nahmen die Proteste gegen den Schah-Besuch am Platz ihren Anfang. Zur vollzogenen Wiedervereinigung und zum Hauptstadtbeschluss läutete die Freiheitsglocke. Seit 2005 befindet sich in der Halle die Dauerausstellung „Wir waren Nachbarn – Biografien jüdischer Zeitzeugen“, Tel. 90 277 45 27, So – Do, 10-18 Uhr, www.wirwarennachbarn.de

 

Der Spaziergang dauert ca. 2,5 Stunden, Start und Ziel: U-Heidelberger Platz.

 

 

Veröffentlicht unter Reportagen