Erst nach drei Anläufen findet der Fahrer den Ausgangspunkt des Aufstiegs zum Elephant Hill in Taipeh. Mehrfach musste Fremdenführer Tzu-Yi Hsu nach dem Weg fragen, so verwinkelt sind die Gassen in diesem Teil der taiwanesischen Hauptstadt. Zusammen mit Touristen aus dem Inland, China, Japan und Südkorea stemmt sich unsere Reisegruppe die hunderte Stufen des an einen Elefantenrücken erinnernden Hügels hoch. Bei subtropischen Temperaturen von mehr als 25 Grad geraten man schnell außer Atem, der Schweiß fließt von Kopf und Rücken. Oben belohnt eine fulminanten Aussicht auf Taiwans Wahrzeichen, den Taipei 101.
Majestätisch erhebt sich der einem Bambus nachempfundene Wolkenkratzer aus dem Häusermeer der zusammen mit Neu-Taipeh fünf Millionen Einwohner zählenden Metropole an den drei Flüssen Keelung, Danshui und Xindian. Zehn Minuten später erreicht der Bus den Eingang des Taipei 101. Expressfahrstühle rauschen in nur 37 Sekunden auf 380 Meter Höhe. Zwei Stockwerke darüber befindet sich die Freiluftaussichtsplattform und gibt bei gutem Wetter die Sicht auf eine der aufstrebenden Städte Südostasiens frei. „Vor sechzig Jahren bestimmten noch Lastkarren und Fahrräder das Straßenbild“, berichtet Fremdenführer Tzu-Yi Hsu.Wie die meisten Taiwanesen hat er sich einen Vornamen zugelegt, den Nicht-Asiaten besser aussprechen und verstehen können. Da er in Deutschland studiert und sich auf deutsche Reisegruppen spezialisiert hat, nennt er sich Johannes.
Statt Lastkarren bestimmen unzähliche Autos heute das Stadtbild. Hochgestelzte Autobahnen und zehnspurige Hauptstraßen durchschneiden die verkehrsgerechte Stadt. Imposant sind die Wellen von Motorrollerfahrern, für die vor den Ampeln extra die ersten zwei Reihen freigehalten werden.
Buddhistische Tempel und taoistische Schreine
Fünf Jahre hatte Johannes in Stuttgart Bauingenieurswesen studiert. „Aber ich musste immer nur Tunnel bauen, da bin ich zurück nach Taiwan“, erklärt der 58-Jährige. Er arbeitet nicht nur als Fremdenführer, sondern auch als Übersetzer. Ohne Dolmetscher kann man Taiwan nur sehr eingeschränkt genießen. In den Städten sprechen vor allem junge Menschen teilweise Englisch, hilfreich sind die allermeisten Taiwanesen ebenfalls. Trotzdem ist ein deutschsprachiger Reisebegleiter unbedingt zu empfehlen. Wie sonst könnte man die Bedeutung der verschiedenen buddhistischen Tempel und taoistischen Schreine des Longshan-Tempelbezirks im Wanhua-Viertel verstehen, oder die Bedeutung der gigantischen Chiang Kai Shek-Gedächtnishalle?
Dort findet täglich vor einer riesigen Figur des Staatsgründers um fünf Uhr nachmittags ein eindrucksvoller Wachwechsel von Soldaten in Paradeuniform mit bajonettbewehrtem Karabiner und chromblitzenden Helm statt, fotografiert und gefilmt von hunderten Taiwanesen.
Aber es gibt auch Oasen der Ruhe nicht weit von der Hauptstadt entfernt. Wer der Hektik und dem Lärm entfliehen will, der fährt mit der Metro oder dem Bus eine halbe Stunde Richtung Nordwesten und besucht den Yangmingshan-Nationalpark. An der Westflanke des Mount Qixing dampfen atemraubende Schwefelsschwaden aus vulkanischen Gestein, brodeln trübe Wasser aus heißen Quellen. Wer guter Kondition ist, macht sich auf einen steilen Weg hoch durch dichte Bambussträucher bis zur kargen Vegetation des windumwehten Gipfels in 1100 Meter Höhe. Auf der anderen Seite geht es noch steiler über Steintreppen hinab in einen subtropischen Wald mit Bergzedern, Riesenfarnen und Lorbeergewächsen.
Die seit 1949 existierende Republik Taiwan, von der Regierung der riesigen Volksrepublik als abtrünnige Provinz betrachtet, hat die Größe von Baden-Württemberg. Rund 23 Millionen Menschen leben auf Taiwan, „die meisten in den großen Städten und im Westteil der Insel“, erklärt Johannes Hsu. Es heißt, mehr als zwei Dritter aller digitalen Endgeräte würden in den unzähligen Fabriken des Landes produziert , beim Pro-Kopf-Bruttoszialprodukt liegt Taiwan weltweit an 36. Stelle, vor Portugal und Saudi-Arabien, Tendenz steigend.
Geografisch wird das aufstrebende Industrieland geteilt von dem bergigen Zentralmassiv mit bis knapp 4000 Meter hohen Gipfeln. Während an der Westküste Ebenen Raumfür zahlreiche Städte bieten, konzentrieren sich an der steil zerklüfteten Ostküste die Siedlungen auf wenige große Orte wie die Hafenstadt Hualien im Osten und Taitung im Südosten.
Grandiose Schluchten und Museumsdörfer der Ureinwohner
Wandertouristen besuchen die zerklüftete, subtropisch bewaldete Landschaft des Taroko-Nationalparks an der Ostküste. Hauptattraktionen der rund 920 Quadratkilometer großen Region ist die Schwalbengrotte am Liwu-Fluss. Von hier geht es über eine Hängebrücke auf einen etwa 4,5 Kilometer langen Weg, steile Steintreppen hoch zu einem Pfad durch die Taroko-Schlucht bis zur ehemaligen Kontrollstation der Japaner, die das Land von 1895 bis 1945 besetzt hatten. Wer sich auf den schmalen Schmugglerweg mit vierhundert Meter zum Fluss abfallenden Stellwänden begibt, sollte schwindelfrei sein. Nicht mehr als knapp einhundert Personen werden pro Tag auf die Wanderung gelassen, sie alle werden registriert, um abends festzustellen, dass sie auch wieder wohlbehalten zurück gekommen sind. Zahlreiche Wanderwege, einige bis auf mehr als 3500 Meter Höhe sind im Taroko-Nationalpark ausgezeichnet, für die meisten empfiehlt sich ein Bergführer aus der Region.
Eine halbe Autostunde von Taitung, der zweitgrößten Stadt der Ostküste entfernt, können im Museumsdorf Chachan Nachfahren der Ureinwohner vom Stamm der Bunun besucht werden. Rund 58 000 Nachkommen dieses indigenen Bergvolkes leben noch in Taiwan. Ursprünglich bevölkerten die Bunun Höhen zwischen 1600 und 2400 Metern, gingen auf die Jagd lebte von der Landwirtschaft. Bei ihren Feinden waren sie wegen ihrer Grausamkeit gefürchtet, Gefangenen wurden die Köpfe abgeschnitten. 18 Jahre kämpften sie gegen die japanischen Besatzer, bis sie nach einer entscheidenden Niederlage in tiefer gelegene und leichter zu kontrollierende Gebiete zwangsumgesiedelt wurden.
„Wir verstehen uns als autarke Gemeinschaft, verzichten auf Regierungsunterstützung und erkennen keine Autorität außer unserer Gemeinschaft an“, sagt Aliman. Der 60-Jährige gründete vor 15 Jahren das Museumsdorf Chachan. Mittlerweile arbeiten 18 Bunun-Stammesmitglieder im Dorf, erklären mehreren hundert Besuchern täglich die ganzheitliche Lebensphilosophie der Bunun, wie wichtig Natur und Umwelt für sie sind. Besucher erfahren von „bewegenden Bäumen“, verschlungenen chinessichen Banyan-Bäumen, riesige Maulbeergewächse, die sich durch ihre hangabwärts wandernden Luftwurzeln über hunderte von Jahren langsam bergab bewegen. Das Fleisch von Wildschweinen spielt bei den Bunun eine wichtige Rolle in der Ernährung, jeder Besucher erhält ein Stück am Bambusspieß zum Grillen am Lagerfeuer. Eine halbstündige Tour führt über Wälle von Baumwurzeln durch den Urwald, und zum Schluss des Besuchs werden mehr als zwanzig verschiedene Speisen serviert, überwiegend Gemüse wie Betelnuss-Palmherzen mit Waldpilzen oder Süßkartoffelscheiben.
„Essen spielt in Taiwan wie in ganz Asien eine wichtige Rolle“ berichtet Fremdenführer Johannes. Das liegt vor allem daran, dass es bis vor wenigen Jahrzehnten für sehr viele Menschen der Region daran gemangelt hat. Deshalb verwenden wir von den Tieren wirklich alles von der Schnauze zum Schwanz und bereiten aus Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten und Gemüse tausende von Gerichten.“ Für Europäer ist die Vielfach irrtierend, und viele Gerichte wie die überall, selbst zum Frühstück angebotenen Geflügelfüße in verschiedenen Garzuständen, sind sehr gewöhnungsbedürftig. Ohne Übersetzer wird es schwer, die überwältigende Vielfalt der taiwanesischen Küche zu erkunden. Die vereint Spezialitäten aus Japan und China und mischt sie mit einheimischen Gerichten und Produkten.
Zum Frühstück gibt es nicht nur Geflügelfüße, sondern auch Schnecken in scharfer Tomatensoße, Salat von marinierten Waldpilzen mit Seetang, scharfen Kohl, fermentierte Sojasprossen und verschiedene Suppen von mild bis würzig. Die isst man in Taiwan wie in vielen Ländern Asiens übrigens zum Schluss, nicht wie bei uns am Anfang eines Restaurantbesuchs.
Sehr beliebt sind Teigtaschen, Dim Sum oder Dumpling genannt.
Eine unvergessliche Erfahrung sind Besuche der zahlreichen Nachtmärkte der großen Städte. Am bekanntesten sind der Shilin Nachtmarkt im Shilin Viertel von Taipeh, der Markt an der Dihua Straße im Datun Viertel und der Snake-Alley-Markt, bekannt für Speisen aus Schlangenfleisch. Aus tausenden Ständen wabern appetitanregende Düfte, es gibt essenstechnisch wirklich nichts, was es nicht gibt. Geflügelhälsegegrillt, frittiert, gedünstet, sogar gegrillte Entenköpfe, Gemüse von jungem Farn, „Stinke-Tofu“ der geschmacklich an reifen Blauschimmelkäse erinnert, Innereien von Fisch bis Fleisch, Wachteleier am Spieß, Suppen, getrocknetes Obst, Gemüse, Fleisch und Meeresfrüchte. Sehr beliebt sind Würstchen vom Grill, vom Schwein, vom Rind, gemischt, vom Wildschwein und sogar von Garnelen. Die meisten Speisen kosten zwei bis drei Euro. Aus der Weite des Pazifik kommen Stachelmakrele, Seeaal, Hummer, Muscheln und dutzende Variationen von Tintenfischen. „Unsere Küche gilt als eine der gesündesten Asien“, versichert Johannes. Um sie im Restaurant kennenzulernen, empfiehlt sich ein Besuch mit mehreren Personen. Dann kommen zahlreiche verschiedene Speisen auf einen Drehteller in der Tischmitte, von denen jeder nach Gusto probieren kann. So macht Taiwan nach ausgiebigen Wanderungen oder einem Stadtbesuch großen Spaß.
Reisezeit:
Beste Reisebedingungen für Rundreisen herrschen im Frühjahr und Herbst.
Baden ist das ganze Jahr über möglich, in den kälteren Monaten jedoch nur im tropischen Süden oder in den heißen Quellen im Bergland. Von Mai bis September finden Wassersportfreunde ideale Voraussetzungen.
Wanderreisen in die Berge sind an zehn Monaten im Jahr zu empfehlen. Im Juli und August sollte man wegen der starken Regenfälle darauf verzichten, da Erdrutsche Wege unpassierbar machen können.
Taiwan Tourimusbüro
Friedrichstrasse 2-6, 60323 Frankfurt, Tel: +49 /69 – 61 07 43, E-Mail:info@taiwantourismus.de, www.taiwantourismus.de
Anbieter:
unter https://www.taiwantourismus.de/wissenswertes/nuetzliche-kontakte/reiseveranstalter/reiseveranstalter-in-deutschland/
listet das Taiwan Tourismusbüro mehr als zwei Dutzend Veranstalter auf.
Preisbeispiele: Berge und Meer, 14 Tage inkl. Flug und Frühstück 2099 Euro, Tel. 02634/9626099, www.berge-meer.de, Gebeco: 11 Tage ab 2095 Euro,Tel. 0421-54460, www.gebeco.de, Go East: 10 Tage in Kleingruppe inkl. Transport und Vollverpflegung ab 2190 Euro, zuzüglich Flüge ab 632 Euro, Tel. 040-8969090, www.go-east.de